Goal Attainment Scaling
Goal Attainment Scaling
56 psychiatric patients in day-hospitals and 12 outpatients in psychotherapy have been evaluated by goal-attainment-scaling:
That method itself has been questioned and scrutinized.
 
 

Ätiologische Theorien in der Arbeitspsychiatrie:
Eine Literaturübersicht

Wolfgang Bolm
Unveröffentlichtes Manuskript
Berlin 1976


Inhaltsverzeichnis




Einleitung


Aufgaben und Bedeutung der Arbeitspsychiatrie
Der Beruf bedingt ganz wesentlich die Chance zur Selbstverwirklichung in der Arbeit, sowie das Ansehen, das Einkommen, die Wohn- und Freizeitmöglichkeiten und die Bildungschancen der Kinder. Bei den Berufstätigen ist der größte Teil des wachen Lebens durch Arbeitsweg, Arbeitszeit und Erholungszeit festgelegt. Ihr Verhalten in der Arbeitszeit ist mehr oder weniger vollständig determiniert durch Leistungsanforderungen und den Zwang zur Anpassung an soziale und physiko-chemische Belastungen. Das Ergebnis der beruflichen Tätigkeit übt also entscheidenden Einfluß auf die Erfüllung oder Versagung wichtigster Wünsche aus; die berufliche Belastung nimmt unter allen Belastungen im Leben eine hervorragende Stellung ein. Demzufolge kann man eine wesentliche Bedeutung beruflicher Belastungen und Versagungen auch für die Entstehung und den Verlauf psychischer Leiden vermuten: Das begründet ein theoretisches und therapeutisches Interesse an der Arbeitspsychiatrie. Von größtem Einfluß auf die arbeitspsychiatrische Forschung und Praxis ist andererseits das Interesse der Unternehmer an der Verringerung der betrieblichen Krankheitskosten. Beispielsweise führt Neel (57) die Zunahme psychiatrischer Beratungsdienste in US-Firmen darauf zurück, daß die Behandlung auf lange Sicht für den Unternehmer billiger sei als der Verlust ausgebildeter Arbeitskräfte – zumal im Laufe ihres Lebens ca. 20 – 25 % der Beschäftigten psychiatrische Therapie brauchten.
Betrachtet man nach diesen Vorüberlegungen, wie die Psychiatrie sich mit dem Arbeitsleben ihrer Patienten beschäftigt, dann fallen beunruhigende Mangelerscheinungen ins Auge: Die übliche psychiatrische Behandlung isoliert den Kranken aus seinen familiären, beruflichen und den übrigen sozialen Zusammenhängen und geht seine Symptome als Anomalien der individuellen Psyche an. Im deutschen Sprachraum fehlt es sogar noch an einer Entsprechung für den englischen Terminus „occupational psychiatry“ (den ich mit „Arbeitspsychiatrie“ übersetze). Es gibt in der BRD auch nur eine Psychiaterin, die als Werksärztin (bei der BASF) tätig ist. Aus den USA berichtete Anderson (in: Felton, 27) von nur 10 bis 15 Psychiatern, die 1965 ganztägig in der Industrie arbeiteten. Die Einbeziehung von Arbeitskollegen oder Vorgesetzten in einen psychiatrischen Behandlungsplan und die Einführung von präventiven Maßnahmen im Betrieb zur Verringerung psychischer Belastungen sind bei uns die Ausnahme. In der Regel werden betriebliche Ursachen psychischer Störungen diagnostisch ungenügend abgeklärt und liegen therapeutisch außerhalb der Reichweite des Behandelnden.
Dieses Defizit der psychiatrischen Tätigkeit hat mehrere Gründe:

    1. Die Trennung der Institutionen (ambulante Praxis, Krankenhaus, Betrieb) erschwert den Informationsfluß und die Bewirkung von Veränderungen über die Institutionsgrenze hinweg.
    2. Der Patient fürchtet gutteils zu Recht seine Diskriminierung oder gar Entlassung, wenn im Betrieb seine psychische Erkrankung oder der Aufenthalt in einer „Irrenanstalt“ bekannt wird.
    3. Die Beseitigung der meisten psychischen Belastungsfaktoren im Betrieb erfordert strukturelle Veränderungen, verursacht höhere Kosten oder beschneidet den unternehmerischen Einfluß.
    4. Die anerkannten Theorien über die Entstehung psychischer Leiden sind individuumzentriert und stellen die biologische Konstitution oder die Einflüsse der familiären Sozialisation auf die Persönlichkeitsstruktur in ihrer ursächlichen Bedeutung weit über akute oder chronische situative Belastungen und deren soziale (also z. B. betriebliche) Ursprünge. Es gibt keine Theorie, die von gesichertem empirischen Wissen ausgehend einen gesetzmäßigen Zusammenhang von betrieblichen Belastungen und der Entstehung psychischer Krankheiten beschreibt. Von der Lerntheorie und der Interaktionstheorie ist ein wesentlicher Beitrag zur Theorie der Arbeitspsychiatrie zu erhoffen – er ist bislang jedoch nur in Ansätzen zu erkennen. Ebenso fehlt m. W. eine Integration der betriebssoziologischen Konflikttheorien mit den psychologischen Konflikttheorien.
    5. Es gibt keine psychiatrischen Arbeitsschutzbestimmungen und Vorschriften über werksärztliche Vorsorgeuntersuchungen, die psychischen Überlastungen vorbeugen könnten. Das liegt aber wesentlich am Fehlen „gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse“.



Mit dem folgenden Literaturüberblick soll die Entwicklung der aetiologischen Theorie in der Arbeitspsychiatrie erleichtert werden und damit eine bessere Grundlage für empirische Arbeiten hergestellt werden. Andere Bereiche der Arbeitspsychiatrie, die berufliche Rehabilitation psychisch Kranker und die Arbeitstherapie, werden nicht besprochen. Die Gliederung folgt pragmatischen Gesichtspunkten und ordnet die einzelnen theoretischen Modelle zur beruflichen Aetiologie psychischer Leiden danach, ob sie mehr die individuellen oder mehr die betrieblichen beziehungsweise die makrosozialen Ursachen betonen. Für die Kritik einiger theoretischer Konzepte gelten folgende Kriterien: Überprüfbarkeit, Übereinstimmung mit bekannten empirischen Daten, Widerspruchsfreiheit und Komplexität. Mit Komplexität ist die Annahme einer multikonditionalen Entstehungsweise psychischer Störungen gemeint, der nur eine fächerübergreifende Erklärung in ihren psychiatrischen, psychologischen, ökonomischen und soziologischen Aspekten gerecht werden kann. Die Verwendung des Begriffs „psychiatrische Krankheiten“ soll die Verständigung über die schwersten und hartnäckigsten psychischen Leiden erleichtern, nicht aber als ihr Wesen einen individuellen organpathologischen Befund voraussetzen. Viele Arbeiten erfassen statt nosologischer Einheiten Symptome oder Syndrome; deshalb benutze ich als allgemeinen Begriff „psychische Störungen“. Weil die Art der einzelnen Umweltbelastung für die Art der eventuell folgenden psychischen Störung unspezifisch ist, können auch aus Untersuchungen über flüchtige Symptome wertvolle Hypothesen über die Bedeutung beruflicher Belastungen bei psychischen Krankheiten erwartet werden.

Dieser Literaturüberblick kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erfüllen. Weitere Literatur findet man bei Abholz (1), McLean (53), Roman (60), Wiesenhütter (82) und in den „Occupational Mental Health Notes“, einer von 1967 – 1970 vom National Clearinghouse for Mental Health Information, Bethesda, M.D. herausgegebenen Referatesammlung.

Individuelle Disposition


Sehr viele der Autoren, die sich mit der Arbeitspsychiatrie beschäftigen, gehen davon aus, daß berufliche Belastungen selten als alleinige oder auch nur wesentliche Ursache psychischer Störungen anzusehen sind. Für sie steht die individuelle Bereitschaft, auf irgendwelche Belastungen auch geringer Art mit seelischen Störungen zu reagieren, im Mittelpunkt des aetiologischen Modells. Diese Disposition wird meist als vererbt und/oder als Ergebnis einer seelischen Entwicklung verstanden, die neurotisches, psychotisches oder süchtiges Verhalten vorbahnte. Die „auslösenden“ Belastungen werden vor allem deshalb nicht als entscheidend angesehen, weil ja nur die Disponierten psychisch darunter dekompensieren.
Zweifellos gibt es viele psychiatrische Patienten, die schon vor Eintritt in die Berufslaufbahn so deutlich feststellbare Persönlichkeitsabweichungen, Verhaltensdefizite oder Symptome zeigten, daß auch unter günstigen beruflichen Bedingungen eine psychische Krankheit entstanden wäre. Aber ebenso sicher ist, daß wir nicht wissen, unter wie starken beruflichen Belastungen welcher Art wie Disponierte psychisch dekompensieren. Folglich können wir auch keine praktischen Schlüsse für Berufsberatung oder Arbeitsplatzgestaltung ziehen. Es darf auch nicht übersehen werden, wie ungenau die nachträgliche Feststellung einer genetischen, neurotischen o. ä. Disposition ist, beziehungsweise, wie schwer das Gegenteil („Der Patient war nicht disponiert“) zu beweisen wäre. Aus diesen Gründen ist der wissenschaftliche Wert dieses aetiologischen Modells etwas fraglich – zumal es leider oft als „Lückenbüßer“ zur Entschuldigung seelisch belastender Arbeitsverhältnisse herhalten muß.

Als erstes soll nun am Beispiel des Lehrbuches von E. und M. Bleuler (11) die theoretische Bedeutung arbeitspsychiatrischer Aspekte in der „Schulpsychiatrie“ dargestellt werden.

Das Modell der Aetiologie psychoreaktiver Störungen im Bleuler’schen Lehrbuch ist individuumzentriert und multikonditional. Die Unspezifität der einzelnen Ursachen für einzelne Symptome wird betont; d. h., ganz verschiedene Konstellationen der ursächlichen Faktoren (Anlage, früheres Erleben, psychische und soziale Belastungen) könnten zu demselben Krankheitsbild führen. Der vererbten und der in der psychischen Entwicklung erworbenen Disposition wird fast durchgängig ein größeres ursächliches Gewicht beigemessen als aktuellen Belastungen. Diese werden lediglich als krankheitsauslösend qualifiziert und weit häufiger im familiären als im beruflichen Bereich gesehen.
Wenngleich im ganzen Lehrbuch von E. und M. Bleuler berufliche Belastungen also nur als austauschbare Randbedingung bei den psychoreaktiven Störungen (eine Ausnahme bilden die gewerblichen Vergiftungen) erwähnt werden, so wird aus den folgenden Zitaten dennoch klar, daß wichtige Hypothesen der Sozialpsychiatrie in der klinisch-psychiatrischen Erfahrung im Kern längst enthalten sind:
Die krankmachende Wirkung von unzureichendem Arbeitsinhalt, Überforderung und beruflichen Konflikten wird deutlich ausgesprochen: „Im Beruf sollen die persönlichen Fähigkeiten ausgelebt werden können; zu hohe Anforderungen einerseits, die Unmöglichkeit, seine Talente auszunützen andererseits, wirkt bedrückend und spannend. Wichtig sind ausgeglichene menschliche Berufsbeziehungen zu Vorgesetzten und Untergebenen. Eine Brutstätte von Sozialneurosen (z. B. in Form von Rentenneurosen) sind konfliktgeladene Gegensätze zwischen Zusammenarbeitenden.“ (a.a.O. S. 133) Exemplifiziert wird diese Aussage im Kapitel über die Neurasthenie (a.a.O. S. 522): „Eine der wichtigsten Ursachen des vorzeitigen Einschaltens des „Ermüdungsventils“ ist der innere Widerstand gegen die Arbeit. Arbeit, die man als langweilig oder erniedrigend empfindet, die den eigenen Interessen und Fähigkeiten nicht entspricht, bei der man sich mit Mitarbeitern, Vorgesetzten oder Untergebenen aufreibt, die niemand anerkennt oder die man gar als Ausbeutung empfindet, bildet einen wesentlichen Grund für neurasthenische Reaktionen.“
Die Bedeutung der Machtlosigkeit als pathogener Faktor psychoreaktiver Störungen wird ebenfalls unterstrichen: „Andere und wichtigere soziale Dispositionen zur Neurosenbildung als nur die Versuchung zum Mißbrauch von Fürsorgeeinrichtungen sind gemeinsame Beeinträchtigungsstellungen ganzer Gruppen von Menschen anderen gegenüber; einer wirklichen oder vermeintlichen Beeinträchtigung durch Mächtige kann sich der Bedrückte ohne bewußten Willen in der Neurose entziehen.“ (a.a.O. S. 480)
Ausführlich behandeln E. und M. Bleuler auch die Unfallneurosen; an unmittelbaren Ursachen wird neben Schreck, Schmerz und Funktionsbehinderung durch das Trauma das Herausgerissenwerden aus der Tätigkeit genannt und die Abhängigkeit vom Wohlwollen der Angehörigen und des Arbeitgebers, Angst vor dem Verlust der Erwerbsmöglichkeit, „Ressentiment gegen den Arbeitgeber oder gegen die ganze gesellschaftliche Ordnung, wenn man sich ausgebeutet vorkommt“ und „Ressentiment gegen den wirklichen oder vermeintlichen Schuldigen am Unfall, dem man die Folgen seiner Untat deutlich zu machen und von ihm Entschädigung zu erhalten bestrebt ist.“ (a.a.O. S. 543)
Für den individuumzentrierten Ansatz in der Arbeitspsychiatrie ist charakteristisch, daß die psychischen Arbeitsbelastungen als eine Art Naturkonstante hingenommen werden und kaum gefragt wird, ob sie eventuell abnorm hoch seien. Mit dem Hinweis auf die enormen seelischen Belastungen, die in Kriegszeiten ohne Zeichen seelischer Krankheit toleriert wurden, wird gelegentlich erklärt, daß die vergleichsweise geringeren Belastungen z. B. im Beruf erst recht nicht per se psychiatrische Krankheiten verursachen könnten (vgl. Bräutigam, 14 S. 34). Darin drückt sich die sehr fragwürdige Tendenz aus, als oberen Grenzwert der noch erträglichen seelischen Belastungen maximale Belastungen anzunehmen. Diese Norm dient zur Rechtfertigung der betrieblichen Praxis, die Arbeitskraft möglichst vollständig auszulasten.
Eine Infas-Repräsentativumfrage belegt, in welchem Ausmaß tatsächlich die arbeitende Bevölkerung diese maximale berufliche Belastung erlebt: Rund 34 % bezeichneten die Arbeitsanforderungen als sehr hoch, 45 % glaubten, bereits das Höchstmögliche zu leisten und 14 % hielten sich bei der Arbeit für überfordert. (41)
Wie bereits gesagt, schreibt Bräutigam den situativen Belastungen für die Entstehung von Konflikt- und Erschöpfungsreaktionen eine vergleichsweise geringe Bedeutung zu. Nach seiner Auffassung wirkt nämlich nicht schon die schwere Belastung krankmachend. Entscheidend sei ihre Einbettung in einen die Motivation schwächenden Konflikthintergrund; die Überlastung sei auch meist weniger aufgezwungen aus aufgesucht. (Vgl. dazu auch Jaques, 43)
Die weitgehende Vernachlässigung der psychischen Belastung durch Arbeitsbedingungen ist bei psychoanalytisch orientierten Autoren häufig anzutreffen. Beispielsweise kritisiert Neff (58) zwar zu Recht die Annahme der meisten Kliniker, daß berufliche Fehlanpassung einfach eine Konsequenz emotionaler Probleme in anderen Lebensbereichen sei, er selbst begreift unter „Psychodynamik und Psychopathologie der Arbeit“ jedoch lediglich Störungen der individuellen Arbeitsfähigkeit, die auch unter den besten Arbeitsbedingungen auffallen – „pathologische“ Arbeitsbedingungen bleiben dagegen völlig unberücksichtigt.
Wiesenhütter (82) unterscheidet in seinem Sammelreferat individuelle, betriebliche und gesellschaftliche Ursachen der „Betriebsneurosen“. Große Aufmerksamkeit erfahren vor allem die individuellen, zur „Betriebsneurose“ disponierenden Eigenschaften: Krankheitsfolgen, Charakteranomalien, Neurotisierungen (z. B. die unbewußte Selbstbestrafungstendenz der sog. Unfallpersönlichkeit, die Erlebnisweise des In-Sich-Hineinfressens, eine auf frühkindlichen Traumatisierungen beruhende, ungeheure Angst vor dem Versagen), „broken home“ und in Notzeiten aufgezwungene Berufswahl. Eine Widersprüchlichkeit der individuumzentierten Betrachtungsweise veranschaulicht das folgende Zitat: „Der Betrieb wird der Nebenkriegsschauplatz für alle nicht verarbeiteten Probleme, die aus der Not der Zeit in Ehe und Erziehungsfragen, Besitzverlust, Deklassierung usw. hervorgegangen sind.“ (a.a.O. S. 763) Wie man sieht, ist damit die saubere Grenzziehung Individuum / Betrieb / Gesellschaft bereits durchbrochen; der ganze sozioökonomische und historische Zusammenhang macht sich bemerkbar – auch in Gestalt der individuellen Disposition.
Nun soll mit dem Hinweis auf verschiedene Probleme der individuumzentrierten aetiologischen Modelle keineswegs global deren Berechtigung in der Arbeitspsychiatrie in Frage gestellt werden. Vielmehr drängt die Vielzahl der in der Literatur beschriebenen disponierenden Persönlichkeitsfaktoren die Frage nach der Aussagekraft von einseitig sozialpsychiatrisch orientierten Studien auf, die diesen Aspekt ganz ausklammern. Bedenklich erscheint jedoch, daß oft nur einzelne der bekannten Persönlichkeitsfaktoren von einzelnen Autoren kontrolliert wurden.
Bartenwerfer (4) und Peters (63) berücksichtigen die Dimension Extroversion / Introversion, die ebenso wie die Aggressivität besonders bei Wolfe und Snoeck (83), Kahn et al. (44) sowie Porter und Steers (65) kontrolliert untersucht wird. Den Einfluß des Autoritarismus untersuchten French (29), Sanford (68) sowie Zander und Quinn (84). Den Neurotizismus erwähnen Leder (49), Jaques (43), Teitel (76), Peters (63) und Porter und Steers (65), die Intelligenz Bachmann u. a. (3) und R. E. Clark (19).
Als Beweis für die Bedeutung individueller disponierender Faktoren bei der Entstehung psychischer Erkrankungen im Arbeitsleben können auch die Ergebnisse von Paykel (60) herangezogen werden: Er stellte eine signifikante Häufung belastender Ereignisse in Ehe und Beruf im Vorfeld von Depressionen fest, vor Selbstmordversuchen fand er die beruflichen Belastungen (Beginn an einer neuen Stelle, Arbeitsplatzveränderungen, Zurückstufung, Entlassung, Arbeitslosigkeit, Beförderung, Pensionierung und Bankrott) jedoch nicht signifikant häufiger. Da in der gesamten Bevölkerung nur etwa jeder zehnte belastende Objektverlust von einer Depression gefolgt werde, sei die Interaktion des belastenden Ereignis mit dem prädisponierenden Faktor der Verletzlichkeit viel entscheidender als das Ereignis selbst.
In der psychiatrischen Epidemiologie ist sehr umstritten, wie die Häufung einer Reihe von Erkrankungen in der Unterschicht zustande kommt. Für manche bietet die Krankheitsverursachung durch die soziale Unterprivilegierung sich als Erklärung an, für andere liefert der soziale Abstieg oder der fehlende Aufstieg infolge der bereits latenten oder manifesten Erkrankung – also ein Selektionsphänomen – die Erklärung des epidemiologischen Befundes. Diese Kontroverse ist auch für die Arbeitspsychiatrie eröffnet worden: Bereits 1949 diskutierte R. E. Clark (19) zur Erklärung der großen Unterschiede in der Psychosehäufigkeit verschiedener Berufsgruppen (für Laufjungen wurde eine neunmal höhere Rate als für den Durchschnitt gefunden) zwei alternative Hypothesen:

    1. Faktoren, die über die Berufswahl entscheiden (Konstitution, Intelligenz, Anpassungsfähigkeit, Persönlichkeitstyp, Begabung, Bildungsgrad, kultureller Hintergrund, Schichtzugehörigkeit und/oder Beruf des Vaters), könnten z. T. gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit bestimmen, an einer Psychose zu erkranken. 2. Unterschiede in berufsbedingten Erfahrungen bedingen die unterschiedlichen Psychoseraten.


Wie Roman (67) 20 Jahre später feststellte, ist die Alternative immer noch nicht entscheidbar. Vielleicht ist sie aber prinzipiell unentscheidbar, weil falsch gestellt. Denn mir erscheinen Anlage und Umwelt, Disposition und auslösende Bedingungen, individuelle, betriebliche und makrosoziale Ursachen in der Arbeitspsychiatrie nicht als alternative, sondern als komplementäre, oft zudem interdependente Größen.

Soziale Wahrnehmung


Im folgenden Abschnitt soll aus einem methodischen Interesse betont werden, daß in der arbeitspsychiatrischen Forschung keine einfache Beziehung zwischen der „objektiven“ betrieblichen Wirklichkeit und der davon ausgehenden seelischen Beanspruchung besteht. Vielmehr ist die betriebliche Wirklichkeit besonders in ihrem sozialen Aspekt erst seelisch wirksam, insofern sie als bedeutsam und ggf. belastend begriffen wird. Die Überschrift „Soziale Wahrnehmung“ soll nun bedeuten, daß dieses Begreifen seinerseits von persönlichen und sozialen Kräften geprägt und verzerrt wird.
In einer sehr lesenswerten Studie über Lärmbelästigung (25) weckt zwar G. Elsner erhebliche Zweifel an der weitverbreiteten Annahme, daß die „subjektiven“ Angaben der Arbeiter mit objektiven Meßdaten nur schlecht übereinstimmten. Es gibt aber eine Reihe von Autoren, die wichtige Gründe anführen, warum für Untersuchungen in der Arbeitspsychiatrie die Angaben der Betroffenen allein keine genügende Forschungsgrundlage darstellen: Stagner (73) zitiert verschiedene Beispiele für eine verzerrte Wahrnehmung betrieblicher Ereignisse. Was von den „objektiven Fakten“ wahrgenommen werde, hänge von Vorerfahrungen und deren affektiver Tönung ab. Er gebraucht den Begriff der „Verschiebung“ für die Klagen über schlechte physikalische Arbeitsplatzbedingungen, denen als eigentliche Ursache nicht-geäußerte Konflikte am Arbeitsplatz oder daheim zugrunde lägen. Wolfe und Snoeck (83) verweisen auf die Stabilisierung des Selbstwertgefühls durch Verleugnung „gefährlicher“ Umstände bei betrieblichen Konflikten.
Zander und Quinn (84) fassen einige Arbeiten über Wahrnehmungsverzerrungen im betrieblichen Bereich zusammen: Es finden sich Einflüsse von Status, Gruppenposition und persönlicher Neigung. Beispielsweise wurde des öfteren festgestellt, daß Führungskräfte den Kontakt mit der Wirklichkeit auf den unteren Rängen teilweise verlieren können, weil unangenehme Nachrichten ausgesiebt und von ihnen ferngehalten werden.
In Anlehnung an die Gestalt-Psychologie führen French und Kahn (30) die Unterscheidung zwischen der objektiven Arbeitsplatzumgebung und der psychologischen Arbeitsplatzumgebung ein. Die objektive Umgebung werde durch individuelle Motive und die Begrenztheit individueller Erfahrung verzerrt und selektiv abgebildet. So habe z. B. jeder Beschäftigte sein eigenes Bild des Betriebes.
Bruggemann u. a. (15) konkretisieren das eben Gesagte am Beispiel der Arbeitszufriedenheit. Sie führen in ihrer Typologie der Arbeitszufriedenheit u. a. die „Resignative Arbeitszufriedenheit“ und die „Pseudo-Arbeitszufriedenheit“ ein. Im ersten Fall werden die ursprünglichen Ansprüche nicht als befriedigt betrachtet; das Anspruchsniveau wird dann jedoch gesenkt und diese Anpassung an die Realität ermöglicht im Nachhinein Zufriedenheit (17 % bei 180 Befragten, vgl. hierzu Bruggemann, 16). Bedeutet schon der Verzicht auf diese Ansprüche eine mögliche Behinderung der Persönlichkeitsentwicklung, so stellt die sog. „Pseudo-Arbeitszufriedenheit“ vollends ein psychopathologisches Symptom dar: Wenn aufgrund des Selbstbildes einer Person und/oder aufgrund sozialer Normen Unzufriedenheit im Beruf zu starken Konflikten führe, so könnten Verdrängungen und Verzerrungen als Schutzmechanismen auftreten; Zufriedenheit könne sich dann aus der verfälschten, d. h. Pseudo-Realität ableiten.
Die Anwendung dieser Erkenntnisse über soziale Wahrnehmung auf die Arbeitspsychiatrie ist von äußerster Wichtigkeit. Untersuchungen über arbeitsplatzbedingte psychische Erkrankungen, die sich lediglich auf Berichte der Kranken ohne Erfassung der objektiven Situation verlassen (z. B. 1, 8, 24, 28, 54, 78), sind als wenig aussagekräftig anzusehen. Dasselbe gilt für Versuche, die Belastung durch diese objektiven Variablen des Arbeitsplatzes unter Außerachtlassung ihrer subjektiven Wahrnehmung zu bestimmen (z. B. 19, 36, 69, 71). Als Beispiel für die exakte Untersuchung der subjektiven Qualitäten von Streß-Faktoren kann die Untersuchung von Lundberg u. a. (51) genannt werden. Sie fanden, daß Herzinfarkt-Patienten eine Reihe von belastenden Lebensereignissen signifikant negativer werteten als Kontrollpersonen (z. B. vermehrte oder verminderte Verantwortung bei der Arbeit, Änderung des Arbeitsinhalts, Beginn mit einer Nebenbeschäftigung, Eintreten des Ehegatten in den Ruhestand). Eine Untersuchung von Grant u. a. (37) konnte dieses Ergebnis von Lundberg u. a. für familiäre Belastungen bestätigen, nicht jedoch für berufliche Belastungen. Man kann also interindividuelle Unterschiede in der Bewertung einzelner Streß-Faktoren messen, und könnte von weiteren Untersuchungen dieser Art Antwort auf die Frage erwarten, in welchem Ausmaß die später psychisch Erkrankten die betrieblichen Belastungen tatsächlich überdurchschnittlich schwer nahmen.

Streß


Mit den Begriffen „Streß“ oder „Streßfaktoren“ werden einzelne Formen seelischer Belastung bezeichnet, die zu länger anhaltenden psychosomatischen Veränderungen („Strain“), z. B. Angst, Konflikte, gedrückte Stimmung, führen, die ihrerseits schließlich in ausgeprägte psychische Krankheiten übergehen können. Charakteristisch für den psychischen Streß sind die bereits beschriebenen kognitiven Prozesse der Bewertung der „objektiven“ Belastung, die dann für das Ausmaß und die Folgen der psychischen Beanspruchung ausschlaggebend sind. Leider ist diese kognitive Funktion in den im Folgenden zu besprechenden theoretischen Modellen nicht genügend oder gar nicht berücksichtigt.
In der arbeitspsychiatrischen Literatur wurden folgende Streßfaktoren häufiger untersucht: Lärm, Hetzarbeit, Akkordarbeit, Fließbandarbeit, Monotonie, Schichtarbeit, Umstellungen am Arbeitsplatz, beruflicher Aufstieg oder Abstieg, Konflikte mit Vorgesetzten, Kollegen oder Untergebenen, Machtlosigkeit am Arbeitsplatz, Arbeitslosigkeit.
Leider wird teilweise nur die Korrelation dieser Streßfaktoren mit psychischen Krankheiten untersucht, ohne daß eine theoretische Verknüpfung der Befunde mit den bekannten aetiologischen Modellen in der Psychiatrie versucht wird. Solchen Untersuchungen liegt dann unausgesprochen ein mechanisches Modell zugrunde, wie bei der Prüfung der Bruchfestigkeit eines Materials (vgl. Ferguson, 28, Neel, 57, Leder, 49).
Eine Grafik soll die Schlichtheit dieses „Modells“ verdeutlichen:
Abb. 1
Abb 1
Die Faktoren S 1-3 wirken zusammen und führen bei Überschreitung der Belastungsgrenze zum „Bruch“.
Der Überlastungsgrenzwert hängt vom Ausmaß der neurotischen Disposition, der Konstitution, der Anpassungsfähigkeit oder der Widerstandskraft des Individuums ab; diese Abhängigkeit wird im mechanischen Streßfaktormodell jedoch nicht weiter reflektiert.
Eine wichtige Erweiterung dieses Modells findet sich in der Arbeit von Phillips (64), der auf die berühmte Untersuchung von Langner und Michael („Life stress and mental health“, 48) aufbaut: dort wurden die verschiedenen Streßfaktoren summiert und ihr Zusammenhang mit psychischen Störungen in einzelnen sozialen Schichten untersucht. Bei gleichem Streß-Zuwachs fand sich in der Unterschicht eine stärkere Zunahme psychischer Störungen als in der Oberschicht. Zur Erklärung dieses schichtspezifischen streß-unabhängigen Faktors verwendet Phillips nun diese Hypothese: Die Belastung durch unglückliche Ereignisse kann durch positive Gefühle aus anderen Lebensbereichen soweit aufgewogen werden, daß eine psychische Störung nicht auftritt. Phillips konnte auch empirisch belegen, daß ein stärkerer Streß nur dort zu mehr Störungen führte, wo zugleich die negativen Gefühle die positiven überwogen.
Dieses Ergebnis könnte jedoch auch artefiziell entstanden sein, indem die psychischen Störungen dazu führen, daß mehr negative und weniger positive Gefühle berichtet und erinnert werden. Grundsätzlich fragwürdig erscheint die einseitige Ausrichtung der Hypothese von Phillips auf das Gefühl des Glücks; stattdessen sollten dessen „objektive“ Grundlagen (stabiler Bekanntenkreis, beruflicher Erfolg o. ä.) erfaßt werden. Dieser Forderung genügt die Arbeit von Cochrane und Robertson (20). Sie erhoben die Zahl belastender Lebensereignisse vor einem Suicidversuch und bei einer Kontrollgruppe. Daneben wurden auch erfreuliche Ereignisse wie Urlaub, Heirat, Hauskauf, Gehaltserhöhung etc. gezählt; diese waren bei den Gesunden signifikant häufiger.
Das erweiterte mechanische Streßfaktormodell sieht graphisch so aus: Abb. 2
Abb 2
In einer angenommenen Belastungssituation werden drei Streßfaktoren S 1 – S 3 (z. B. uneheliche Geburt, eigene Krankheit und Scheidung) durch zwei Faktoren positiver Gefühle (P 1, 2) (z. B. Beförderung, Anerkennung durch Freunde) nicht ausbalanciert, der Netto-Belastungs-Effekt überschreitet jedoch noch nicht die Grenze der Belastbarkeit.
Eine weitere Ausarbeitung des Modells sich ausbalancierender Faktoren wendet Jaques (43) an. Er betrachtet Streß als Folge einer ungleichgewichtigen Kombination folgender je verschieden stark ausgeprägter Faktoren: Niveau der Arbeitsanforderung (zu leicht, angemessen, zu schwierig für die Leistungskapazität), organisatorische Hilfsmittel (unzureichend, ausreichend, überreichlich) und Bezahlung (zu niedrig, angemessen, zu hoch). Eine überbezahlte Arbeit, die die Kapazität des Arbeiters übersteigt und für die er ausreichend Hilfsmittel hat, würde z. B. weniger Streß erzeugen als dieselbe Konstellation bei Unterbezahlung. Jaques relativiert dieses Modell aber erheblich, indem er von der psychoanalytischen Doktrin ausgeht, daß „die individuelle Psychopathologie nur eine unbedeutende und ungewisse Verbindung mit äußeren Ereignissen hat“ (übers. v. Verf.). So führt er als abschließende Antwort auf die Frage, warum ein gestreßter Mensch in der belastenden Situation bleibe, einen unbewußten destruktiven Zwang ein, der den einzelnen in die streß-induzierende Situation hineinlocke, eine Streß-Neigung analog zur Unfall-Neigung.
Wie wenig allerdings dieses erweiterte Faktoren-Modell auf eine derart individuum-zentrierte Betrachtungsweise festlegt, beweist Häfner (38): wer vermögend sei und der Oberklasse angehöre, habe auch bei mehreren seelischen Belastungen ein geringeres Morbiditäts-Risiko als ein Angehöriger der Unterklasse, weil er mehr Chancen des Ausweichens auf andere Befriedigungs-Möglichkeiten besitze. Häfner verweist also viel realistischer als Phillips nicht so sehr auf die angenehmen Gefühle als Gegengewicht des Streß, sondern auf eine gesellschaftlich ungleiche Verteilung von Vermögen und Macht.
Die Berücksichtigung von sozialen entlastenden Faktoren findet sich auch bei Esser (26). Wenn z. B. ein Beamter eine Kompetenz abgeben müsse, so habe er bei einem hohen Grad von Selbständigkeit eher die Möglichkeit, diese Kollision mit der Organisation zu überstehen, da er noch über genügend Ressourcen verfüge, um einen Konflikt mit alternativen Mitteln auszutragen und dem Druck von außen standzuhalten. Andererseits komme es in Ermangelung solcher adäquater Mittel leichter zur emotionalen Spannungsentladung. Lee und Schneider (zit. nach Roman, 67) fanden 1963 bei der Untersuchung der Arteriosklerosehäufigkeit nicht die erwartete Anhäufung bei Top-Managern mit einer großen Belastung durch Verantwortung. Sie diskutieren als eine Erklärung, daß die Betreffenden im Laufe ihrer Karriere gelernt haben könnten, bei Spannung „Dampf abzulassen“. Dieser Entlastungsfaktor ist auch an die Macht des Vorgesetzten gebunden und auf unteren Ebenen geringer ausgeprägt.
Die bisher genannten, vom Streß entlastenden Faktoren basieren im Grunde auf Erholung, Ersatzbefriedigung oder Stärkung der Motivation und Leistungsfähigkeit. Diese Bewältigungsformen lassen die von außen kommenden Anforderungen unverändert und stärken ihnen gegenüber die Belastbarkeit.
Davon zu unterscheiden sind Bewältigungsformen, die die Streßfaktoren selbst verringern oder vermeiden. Die Unfähigkeit zur Streß- Abwehr, die ja oft soziale Konflikte hervorruft, könnte Ursache mancher Überforderung sein. Darauf deutet ein Befund hin, den Christian, Hahn und Nüssel (18) in einem Übersichtsreferat über Streß und Herzinfarkt zitieren: Die Koronarkranken zeigen eine gesteigerte Soziabilität, ein vermehrtes Streben nach sozialer Billigung und fallen dem Sog der Normen und Zwänge leichter anheim.
Im konkreten Fall kann andererseits bei einer Belastung durch Hetzarbeit am Fließband die Beschwerde beim Abteilungsleiter, die Anrufung des Betriebsrates oder das informal in der Arbeitsgruppe vereinbarte „Bremsen“ das Arbeitstempo vermindern.
Die sehr aufschlußreiche Studie von Kahn u. a. (44) zeigt demgegenüber die Bedeutung von dysfunktionalen Anpassungs-Mechanismen auf: Feindseligkeit oder apathischer Rückzug verstärken bei einem Konflikt den Streß, denn die Bezugspersonen müssen sich nun „erst recht“ durchsetzen, oder sie meinen, besonders deutlich tadeln zu müssen, „weil der Betreffende schwer hört“. Diese Formen der Anpassung an Streß kann man am besten als Rückkoppelung im Modell darstellen.
Abb. 3
Abb 3
Die Unterschiede des mechanischen Streß-Faktor-Modells und dieses kybernetischen Modells werden durch zwei Graphiken bei Kahn u. a. (44, S. 230 ff.) über den Zusammenhang von Streß und Strain deutlich:
Abb. 4 und 5
Abb 4Abb 5
Während in Abb. 4 (Faktormodell) bei Überschreitung des Grenzwertes a wie bei der mechanischen Verbiegung ein sprunghafter Anstieg der Beanspruchung (strain) erfolgt, kann in Abb. 5 bei b durch Einsetzen eines neuen Anpassungsvorganges die Beanspruchung trotz steigender Belastung (stress) verringert werden. Dieser Anpassungsvorgang versagt dann bei steigendem Streß erst bei a‘ etc. ...
Der Vorteil des Rückkoppelung-Modells ist besonders seine Erfassung der circuli vitiosi: Wolfe und Snoeck (83) besprechen sowohl adaptive als auch maladaptive Kreisprozesse. Für letztere sei ein Beispiel zitiert: „Stellen wir uns z. B. jemanden vor, dessen Selbstwertgefühl bedroht wird durch die ständige Unfähigkeit, den Forderungen seiner Umgebung nachzukommen. Beim Versuch, mit der durch diese Bedrohung entstehenden Angst fertig zu werden, könnte er gezwungen sein, sich mehr und mehr auf Abwehr-Mechanismen zu verlassen, die die Wirklichkeit seiner Situation verzerren. So wird sein Verhalten immer weniger adaptiv“ (übers. v. Verf.). Die Autoren fanden wesentlich stärker ausgeprägte industrielle Rollenkonflikte bei introvertierten und bei flexiblen Persönlichkeiten, und vermuten als Ursache, daß erstere sich bei Konflikten zurückziehen und die verschlechterte Kommunikation den Konflikt verschlimmert, während Flexible es sozusagen jedem recht machen wollen und so von allen Seiten verstärkt bedrängt werden. Die Bedeutung solcher circuli vitiosi, die im Kern nach Watzlawick u. a. als falsche Problemlösungsversuche bezeichnet werden können, die ein noch größeres Problem darstellen, wird von vielen Autoren betont, die sich mit psychischen Störungen im Arbeitsleben beschäftigen (13, 22, 44, 77).
Als intervenierende Variable zwischen Streß und Strain tauchte bereits das Selbstwertgefühl auf. In einem individuum-zentrierten Ansatz bezieht E. F. Müller (56) Selbstaktualisierung, Überlastung und Gesundheit theoretisch aufeinander. Bei Überlastung muß der einzelne mehr leisten, als er von sich selbst erwarten würde. Wenn er diesen Anforderungen nicht genügt und seine Abwehrmöglichkeiten nicht ausreichen (Erhöhung seiner Ansprüche an sich selbst, Veränderung der Umwelt, Abwertung der beruflichen Sphäre als unwichtig etc.), kommt es zu einer Verminderung des Selbstwertgefühls und möglicherweise zu physiologischen Reaktionen (Angst). Müller interessieren dabei zwei subjektive Bewertungen, wie sie z. B. zwischen einer Erhöhung des Akkordsatzes und einer Blutdrucksteigerung beim Betroffenen ablaufen könnten; das verbreitete Modell einer objektiv feststellbaren oberen Leistungsgrenze, jenseits derer die Überlastung beginnt, wird dadurch stark relativiert: So wird diese Grenze mitbestimmt durch die Ansprüche, an denen der Arbeiter seine Leistung mißt, ehe er mit sich unzufrieden ist. Das Niveau dieser Ansprüche hängt von der Selbst-Aktualisierungs-Tendenz ab, die je nach Tätigkeitsfeld verschieden stark ausgeprägt sein kann. Daneben ist die subjektive und soziale (vgl. dazu Stossberg, 74) Bewertung einer gegebenenfalls auftauchenden Minderleistung entscheidend. Erst wenn das Minus als solches definiert und ernst genommen wird, könnte sich eine Verminderung des Selbstwertgefühls einstellen.
French und Kahn (30) verwenden als zentrale Kategorie ebenfalls die „Self identity“. Das berufliche Selbstwertgefühl könne durch Substitution von verschiedenen beruflichen Sub-Identitäten ausbalanciert werden, wenn eine derselben geschwächt werde; das könne sowohl durch Überforderung als auch durch Unterforderung eintreten. Mit den Begriffen „Centrality“ und „Coreness“ werden Maße für die Größe des Beitrages einzelner Sub-Identitäten zur beruflichen Gesamt-Identität eingeführt.
Für die weitere Diskussion sollte festgehalten werden, daß die Zahl verschiedener beruflicher Sub-Identitäten wahrscheinlich bei einer Fließband-Arbeiterin erheblich geringer ist als bei einer Rechtsanwältin. Das große Verdienst der o. g. Überlegungen ist in dem Versuch der Quantifizierung solcher Unterschiede zu sehen. Der empirische Nachweis ihrer Relevanz für die Entstehung von psychischen Störungen am Arbeitsplatz bleibt abzuwarten.

Konflikttheorien


Diese Darstellung von Theorien über den Zusammenhang von beruflicher Belastung und psychischer Krankheit soll von individuumzentrierten zu gesellschaftszentrierten Ansätzen fortschreiten. Eine Mittelstellung in diesem Spektrum nimmt der Begriff des Rollenkonflikts ein. „Rolle“ ist nach Dahrendorf (21) der Komplex der an eine Position gebundenen Erwartungen bezüglich Erscheinungsbild und Verhalten. Widersprüche zwischen verschiedenen Rollen, die eine Person innehat oder widersprüchliche Erwartungen bezüglich einer Position werden als Rollenkonflikt bezeichnet. Verstöße gegen diese Erwartungen ziehen mehr oder weniger schwere Sanktionen nach sich. Das Gewicht der Erfüllung der Rollenvorschriften für die psychische Stabilität bzw. umgekehrt das Ausmaß der Labilisierung durch unerfüllbare, konflikthafte Vorschriften sei durch die Definition des „Selbst“ von Sullivan (75) illustriert, der es als die Menge der angstfrei erlebbaren Bewußtseinsinhalte bezeichnet, die von den wichtigen Bezugspersonen gebilligt werden. Angst sei immer das Produkt vielfacher, anhaltender Mißfallensäußerungen seitens der Bezugspersonen. Diese Verknüpfung von Selbstwertgefühl und Angst mit den Erwartungen und Sanktionen der Bezugspersonen stellt ein wichtiges Bindeglied zwischen dem makrosozialen Phänomen der Normen und individuellen psychopathologischen Befunden dar. Wenn man bedenkt, daß die Erwartungen und Sanktionen der anderen oft gar nicht real, sondern in der Phantasie oder dem Unbewußten im Spiel sind, ist die Verbindung zum Überich in der psychoanalytischen Neurosentheorie hergestellt.
Zur näheren Veranschaulichung dieses Ansatzes sollen jetzt die einzelnen Studien besprochen werden, die damit arbeiten:
E. F. Jackson (42) fand einen signifikanten Zusammenhang von Rollenkonflikten und Symptomen von psychischem Streß in einer großen Fragebogenstudie, wobei allerdings diese Konflikte aus einer Status-Inkonsistenz erschlossen wurden, das ist eine Ungleichheit der Positionen auf den Status-Hierarchien „Beruf“, „Bildung“ und „ethnische Zugehörigkeit“.
Roman (67) erwähnt in seiner Übersichtsarbeit mehrere Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen Rollenkonflikt oder Ungewißheit über die Rollenvorschriften in der Industrie und Angst oder psychosomatischen Symptomen herstellen. Er kritisiert daran jedoch, daß solche Symptome (meist aus Angaben auf Fragebogen erschlossen) nicht so aussagekräftig seien wie klinisch festgestellte psychiatrische Krankheiten und daß durch eine Korrelation nicht die Verursachung des Symptoms durch den industriellen Konflikt bewiesen sei (vgl. dazu Hypothese 1 von Clark auf S. 7 dieser Arbeit).
Die m. W. umfassendste Arbeit über industrielle Rollenkonflikte stammt von Kahn et al. (44). Sie haben sowohl die Rollenträger als auch ihre Bezugspersonen getestet und befragt und so objektive und subjektive Maße des Rollenkonflikts gewonnen. Sie fanden, daß auch bei vorher emotional stabilen höheren Angestellten ernste Rollenkonflikte zu Störungen führten, wie sie sonst als Zeichen eines neurotischen Konflikts beobachtet werden können. Die Zusammenhänge der Rollenkonflikte mit dem organisatorischen Wandel, mit Macht und individuellen Persönlichkeitsfaktoren wurde quantitativ erfaßt.
Als spezielles Gebiet der Rollenkonflikte sind die Diskrepanzen zwischen erreichtem und erstrebtem Erfolg anzusehen. Der Konflikt liegt hier oft in den begrenzten Möglichkeiten des Einzelnen angesichts einer relativ hochgesteckten Erfolgsnorm, die für die ganze Gesellschaft gilt.
Kornhauser (47) schreibt hierzu in seinem weitgefaßten theoretischen Ansatz, daß die herrschenden kulturellen Normen Erfolg, Reichtum und interessante autonome Tätigkeiten verlangen. Die von ihm untersuchten Industriearbeiter zeigten eine Beeinträchtigung ihrer psychischen Gesundheit, wenn sie an solchen, realistischerweise für sie unerreichbaren Zielen festhielten.
Dieses Nichtverfügen über akzeptierte Mittel zur Erreichung wichtiger sozialer Ziele wird in der Soziologie des abweichenden Verhaltens als Anomie bezeichnet. Anomie wurde ursprünglich von Durkheim der Zusammenbruch sozialer Normen genannt, die die menschlichen Triebe im Zaum halten. Heute wird mit dem Begriff auch die ungleichmäßige Verteilung der Mittel zur Erreichung allgemeiner Ziele in verschiedenen sozialen Gruppen bezeichnet. Selbstmord, Ehescheidung, Marihuanarauchen, Kriminalität u. a. werden in der Soziologie des abweichenden Verhaltens als Ausdruck von Anomie verstanden (R. König, 46a).
Meist wird diese Theorie als Alternative zur Dispositionslehre (s. o.) heiß umkämpft und darüber die Komplementarität der beiden Ansätze zu wenig beachtet.
Kleiner und Parker (46) besprechen in einer Übersichtsarbeit eine größere Zahl von empirischen Studien, die einen Zusammenhang verschiedener psychischer Störungen mit einer Diskrepanz zwischen erstrebtem und erreichtem Erfolg nachweisen. Sie bezweifeln allerdings, daß eine kausale Relation damit schon bewiesen sei. Als Alternativhypothesen werden eine angstbedingte Fehleinschätzung des eigenen Erfolges oder das Erstreben von unrealistisch hohen Zielen als defensives Manöver bei zuvor schon aus anderer Ursache psychisch Erkrankten diskutiert.
Ohne in diese Diskussion einzutreten stellt Stosberg (74) fest, daß im Gegensatz zur vorindustriellen Zeit heute mit Mitteln der sozialen Kontrolle auf Karriere und Aufstieg hingewirkt werde. Die Angst, demgegenüber zu versagen, stelle eine große psychosoziale Belastung dar, besonders für Führungskräfte und Ältere. Sie könne bis zum Zusammenbruch der Persönlichkeit oder psychosomatischen Leiden führen, besonders beim Hinzutreten weiterer Frustrationen.
Werner (81) betont in seinen sozialpsychologischen Überlegungen zur Entstehung des Ulcusleidens die Widersprüchlichkeit der Erfolgsnorm in einem Konkurrenzsystem: „Der Mensch in einem Konkurrenzsystem kann Sicherheit jedoch nur in dem erstreben, was ihm niemals sicher ist: im persönlichen Erfolg.“ ... „Nicht der Widerstreit allein, daß da immer ein Mensch einen anderen ausstechen will und doch umhegt sein möchte wie ein Kind, erzeugt in der Gesellschaft eine neurotische Spannung, sondern daß Erfolg und Geborgenheit im Konkurrenzsystem der Arbeitswelt wechselseitig voneinander abhängen: Um Erfolg zu haben, um sicher wirken zu können, muß ich aus einer Rückbindung heraus handeln, die vom Erfolg oder Mißerfolg nicht berührt wird. Umgekehrt aber werden jetzt, wo alles vom sozialen Erfolg abhängt, auch meine intimsten Bindungen erst verlässlich, wenn mir der Erfolg treu ist.“ (81, S. 19)
Einen gewichtigen Vorläufer finden die oben genannten Ansätze in der Lehre Alfred Adlers von der Entstehung psychischer Störungen aus dem Minderwertigkeitsgefühl, das er neben anthropologischen und organischen Ursachen auch auf soziale Bedingungen zurückführt (im Folgenden nach der Darstellung von Dreikurs, 23, zitiert). „Wir leben in einer Gesellschaft, die auf Wettkampf und Konkurrenz aufgebaut ist. Dementsprechend verweigern wir dem Kind das Gefühl, so, wie es ist, etwas wert zu sein. ... Wir behandeln das Kind in dieser Weise, weil wir uns alle nicht von der Sklavenmentalität befreit haben, die es als unumgänglich ansieht, den Menschen mit der Peitsche des Versagens und dessen furchtbaren Folgen anzutreiben.“ (23, S. 34)
Wie aus dem oben Gesagten hervorgeht, behandeln E. F. Jackson (42) und Roman (67) die genannten Konflikte als quasi unabhängige, eigenständige ätiologische Faktoren, während andere sie in innigem Zusammenhang mit makrosozialen Konflikthintergründen, z. B. einer problematischen sozialen Erfolgs-Norm, darstellen.
Zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen Konflikten in Betrieb und Gesellschaft und psychischen Störungen wird als theoretisches Modell das der „Individualisierung sozialer Konflikte“, für die keine kollektive Austragungsform organisiert ist, herangezogen:
So schreibt Burisch (17) aus betriebssoziologischer Sicht, daß hinter einer Häufung scheinbar rein individueller Verhaltensweisen, die sich in hohem Krankenstand, hoher Fluktuations- oder Unfallrate zeigen, ein sozialer Konflikt steht, der in dieser Weise „umgeleitet“ wird. „Viele Konflikte, die bei entsprechender staatlicher Ermöglichung manifest werden können, treten in repressiven Gesellschaften informell oder umgeleitet auf; umgekehrt scheint längst nicht mehr jeder informelle oder umgeleitete Konflikt in eine Organisationsform gebracht werden zu können, da viele Krankheiten, Depressionen und Kommunikationsschwierigkeiten nicht als Folgen von antagonistischen Herrschafts- und Arbeitsverhältnissen bewußt sind.“ (17, S. 159)
Kornhauser (47) stellt in diesem Zusammenhang eine Überlegung an, die wegen ihres heuristischen Wertes etwas ausführlicher übersetzt werden soll: „So scheinen dieselben beruflichen und sozialen Nachteile, die niedergedrückte Stimmung und andere Zeichen schlechter psychischer Gesundheit begünstigen, auch zu gewissen antidemokratischen Gefühlen zu führen und zur stärkeren Befürwortung von wirtschaftlichen und politischen Veränderungen im Sinne der Gewerkschaften. Diese Verbindung läßt die provozierende Frage stellen, ob die sozialpolitische Reformorientierung notwendigerweise mit einer ungesunden psychischen Verfassung verbunden ist – oder alternativ gedacht – ob die Verbindung zufällig ist und nur unter gewissen jetzt vorhandenen kulturellen Bedingungen vorkommt. Vermutlich könnte sich unter anderen Bedingungen die Unzufriedenheit der Arbeiter vorwiegend in heftigen sozialen Protesten und Reformen äußern ohne sich gleichzeitig in individuelle Frustration und negatives Selbstwertgefühl zu verwandeln.“ (47, S. 267)
Als weitere Bestätigung für diese Theorie der „Individualisierung“ sozialer Konflikte seien noch drei Autoren zitiert:

Blau (9) erwähnt die Stabilisierung von Organisationen auf Kosten des Individuums: „Der psychische Konflikt, den Individuen erfahren, die unter entgegengesetztem Druck von Organisationen stehen, denen sie angehören und die zu einer Frage entgegengesetzte Standpunkte vertreten, lenkt sozusagen einen Teil des Konflikts zwischen den zwei Seiten um und macht ihn weniger intensiv“ (9, S. 306, Übers. v. Verf.).
Noch deutlicher äußert Hondrich (40) diesen Gedanken am Beispiel des Rollenkonflikts des Arbeitsdirektors: „Er ist durch seine Rolle einerseits den Interessen der Arbeitnehmer, andererseits den übrigen am Unternehmen interessierten Gruppen verpflichtet. ... Interessenkonflikte innerhalb ein und derselben Person stellen den wichtigsten Integrationsmechanismus hochkomplexer Gesellschaften dar.“ (40, S. 161) Eine ähnliche Konstellation kennzeichnet die Rolle des Meisters im Großbetrieb. Er soll gleichzeitig die Interessen der Arbeiter gegenüber der Betriebsleitung und die der Betriebsleitung gegenüber den Arbeitern durchsetzen. Wenn er nicht von vornherein die Partei der Betriebsleitung ergreift, kann er erhebliche psychische Konfliktspannungen erfahren.
Katz (45) schreibt über die Funktion von irrationalen, persönlich bedingten Feindseligkeiten und Konflikten im Unternehmen:
„Das Vorhandensein dieser persönlichen Feindschaften verdunkelt und mildert die realen Konfliktgrundlagen. Wenn die irrelevanten Feindschaften beseitigt würden, könnten jene Themen zu unvermittelt ins Licht rücken und antagonistische Wertsysteme würden sich allzu unverhüllt gegenüberstehen. So trugen zum Beispiel hierzulande die Feindschaften zwischen verschiedenen Nationalitätengruppen der Arbeiter, z. B. den Iren und Italienern, zur Verhinderung eines Klassenbewußtseins bei, das die gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen gegenüber den Arbeitgebern reflektierte.“ (45, S. 107, Übers. v. Verf.)

Interaktionstheorien


Unter dieser Überschrift sollen kurz die Etikettierungstheorie psychischer Krankheiten (vgl. z. B. Becker, 5) sowie Ansätze besprochen werden, die psychopathologische Symptome nicht als Ausdruck einer krankhaften Eigenschaft, sondern als Korrelat dysfunktionaler zwischenmenschlicher „Spielregeln“ verstehen (vgl. z. B. Watzlawick u. a., 79). Leider arbeiten nur wenige Forscher auf dem Gebiet der „occupational psychiatry“ mit diesem Ansatz. Das dürfte nicht nur an seiner Neuigkeit liegen, sondern auch an der methodischen Schwierigkeit, daß zu seiner empirischen Prüfung nicht nur ein Patient, sondern die Interaktion zwischen ihm, seinen Kollegen, Vorgesetzten und Untergebenen direkt und ins einzelne gehend beobachtet werden müßte.
Becker (5, S. 160 ff.) weist ausdrücklich das häufige Mißverständnis der Etikettierungstheorie als einer umfassenden ätiologischen Theorie abweichenden Verhaltens zurück: „Es wäre lächerlich zu behaupten, daß Räuber andere Leute deswegen überfallen, weil irgend jemand sie als Räuber bezeichnet hat, oder daß alles, was ein Homosexueller tut, aus der Tatsache resultiert, daß jemand ihn homosexuell genannt hat. Nichtsdestoweniger bestand einer der wichtigsten Beiträge dieser Methode darin, unsere Aufmerksamkeit auf die Art und Weise zu lenken, wie das Bezeichnen den Täter in Umstände versetzt, die es ihm erschweren, die normalen Gewohnheiten des alltäglichen Lebens fortzusetzen, und ihn damit zu ‚anomalen‘ Handlungen veranlassen“ (5, S. 160). Insofern die Arbeitswelt sehr stark durch eine hierarchische Machtstruktur gekennzeichnet ist, könnte für die ‚occupational psychiatry‘ der Blickwinkel der Etikettierungstheorie wichtige Erkenntnisse liefern. Sie widmet nämlich „besondere Aufmerksamkeit den Differenzen der definitorischen Macht, der Art und Weise, wie eine Gruppe die Macht erlangt und nutzt, zu bestimmen, wie andere Gruppen gesehen, verstanden und behandelt werden. Eliten, herrschende Klassen, Bosse, Erwachsene, Männer, Angehörige der weißen Rasse – übergeordnete Gruppen allgemein – erhalten sich ihre Macht sowohl durch die Kontrolle der Art und Weise, wie Menschen die Welt, ihre Komponenten und Möglichkeiten definieren, als auch durch den Gebrauch primitiverer Formen der Kontrolle.“ (5, S. 184)
Auch Siegrist (70, S. 82) erörtert die Etikettierungstheorie ausführlich: „Familie und Nachbarschaft, Arbeitskollegen und andere Bezugsgruppen üben bereits Kontrollfunktionen aus, indem sie auffällige Verhaltensweisen ausfindig machen und als sozial abweichende Akte kennzeichnen. Die Krankheitserfahrung des psychisch Gestörten vollzieht sich somit reaktiv, in der veränderten Art und Weise, wie andere sich aufgrund ihrer neuartigen Erfahrungen im Umgang mit ihm verhalten. Die Definition ‚primärer Abweichungen‘ ... durch die Bezugsgruppen des potentiellen Kranken ist ein außerordentlich subtiles und folgenreiches soziales Interaktionsgeschehen, dessen Stabilisierung zu einer abweichenden Karriere mit allen Folgen der Identitätsumbildung führen kann.“
Lemert (50, Kap 15) untersuchte diesen Prozeß des Ausschließens der Abweichenden retrospektiv bei Paranoiden am Arbeitsplatz. Nach einem schweren beruflichen oder familiären Statusverlust sollen sich absonderliche Verhaltensweisen in Bezug auf Statusangelegenheiten bemerkbar gemacht haben: sie seien pedantisch, unloyal und aggressiv gegen Schwache geworden, hätten die informale Gruppenstruktur nicht anerkannt, sich Privilegien angemaßt und mit formalen Mitteln gedroht. Dies sei von den Kollegen lange als Sonderlingswesen toleriert worden, plötzlich aber als gefährlich und abnorm umdefiniert worden. Daraufhin sei das Verhalten der Kollegen den späteren Paranoiden gegenüber unecht geworden, sie seien dem Kontakt ausgewichen, hätten sie bevormundet und verspöttelt und kein feed-back für ihr Verhalten mehr gegeben. Da sich ihre Auffälligkeiten dadurch verstärkten, hätte sich ein Teufelskreis von tatsächlicher Konspiration der Arbeitskollegen gegen sie (um sie zu beobachten und aus der Dienststelle zu entfernen) und der wahnhaften Übersteigerung und Verallgemeinerung dieser Vorgänge in der Wahrnehmung der Kranken ergeben. Leider beschreibt Lemert nicht, ob er sich vergewissert hat, daß nicht schon unter dem Sonderlingswesen ein Wahn verborgen wurde; er beschreibt die Wahnsymptomatik während der Konspiration der Kollegen so wenig, daß ein Urteil über ihre Verständlichkeit als reine Erlebnisreaktion – wie er das annimmt – nicht möglich ist.
Jaques (43) berichtet u. a. über Untergebene, die ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind. Nach seinen Erfahrungen wird dieses Problem am häufigsten dadurch gelöst, daß man den Streß sich solange anhäufen läßt, bis Krankheitszeichen und dann ein „Zusammenbruch“ folgen – dann erst kann die Sache bereinigt werden. Er sieht in diesem Vorgehen eine unbewußte destruktive Allianz von Vorgesetzten und Untergebenem wirken, erwähnt aber auch, daß besonders in den höheren Rängen die Ablösung eines ungeeigneten Untergebenen eine der schwierigsten Aufgaben eines Managers sei. Eben diesen Vorgang stellt Oldendorf (59, S. 106) nicht als irrationales individuelles Verhalten dar, sondern als einen Konflikt verschiedener Ziele der Organisation, der zu irrationalen Komplikationen führt. (Die widerstreitenden Ziele sind die Stabilität des Statussystems und die größtmögliche Effektivität des jeweiligen Positionsinhabers.) Die Versetzung eines Ungeeigneten auf eine niedrigere Position sei aus psychologischen Gründen unmöglich; der Status müsse nämlich eine gewisse Stabilität besitzen, um erstrebenswert zu bleiben, Instabilität des Status könne zur Folge haben, daß Angestellte deswegen nichtmehr nach oben strebten, weil sie bei einer möglichen späteren Absetzung ihr Gesicht zu verlieren fürchteten. Da für eine Entlassung des Ungeeigneten die o. g. Gründe erst recht gelten und der Ruf des Betriebes, der ihn in eine verantwortliche Position gestellt hat, dadurch geschädigt werden könnte, bleiben folgende Möglichkeiten: Versetzung auf derselben Statusebene, Beförderung in eine ungefährliche Position oder Aushöhlung der alten Position. Wie wir bei Jaques (43) sahen, muß in diesen Katalog als letzte Möglichkeit noch eine Krankheit aufgenommen werden.
Weisser (80) ist diese Möglichkeit durchaus bekannt – er deutet sie anhand der Krankengeschichte eines Büroleiters jedoch als individuelles Fehlverhalten eines „konstitutionell belastungslabilen“ Ehrgeizigen: „man muß häufig die Ansicht gewinnen, daß ein Herzinfarkt erwünscht ist als das ‚Non-plus-ultra‘ der Statussymbole. Sollte ein Herzinfarkt überlebt werden, ist es allerdings leichter, einen ‚Arbeitsplatzwechsel‘ vorzunehmen, denn jetzt ist der Grund nicht mehr der gefürchtete geistige Bankrott, sondern eine Krankheit, die ‚der Bedeutung der Position entspricht‘.“ (80, S. 267)
Diese Verwicklungen bei der Ablösung eines Ungeeigneten aus höherer Stellung sind in unserem Zusammenhang interessant, weil der institutionell schwer lösbare Konflikt seine Lösung u. U. leichter in der Krankheit des Einzelnen findet. Jaques und Weisser etikettieren diese Einzelnen als irrational ehrgeizig oder unbewußt destruktiv und ersparen sich mit dieser Wertung einer Teilursache des komplexen Geschehens die wesentlich peinlichere Reflexion einer haarsträubenden ‚Spielregel‘ der Organisation.
Zum Schluß dieses Abschnitts sei noch auf die Anwendung der ‚Double bind-Theorie‘ (vgl. z. B. Watzlawick u. a., 79) auf die Interaktion von Vorgesetztem und Untergebenen hingewiesen. Peter (62): Von manchen Vorgesetzten gingen paradoxe Aufforderungen aus, die der Untergebene nur falsch ausführen könne, und deshalb in der Zwickmühle säße und ‚verrückt gemacht‘ werden könne, weil er ja aus seiner Machtlosigkeit heraus den Vorgesetzten nicht direkt in Frage stellen könne. Aetiologisch nimmt Peter eine Komplementarität an von sozial tabuisierter, unbewußter Aggressionsneigung seitens des Vorgesetzten und Abhängigkeitswünschten und Minderwertigkeitsgefühlen auf der Seite der Untergebenen. Dieser Ansatz ist durch die Verknüpfung von interaktionalen, psychodynamischen und soziostrukturellen Momenten beispielhaft.

Makrosoziale Theorieansätze


1. SOZIOÖKONOMISCHER WANDEL



Rasche Veränderungen der Produktionstechniken der innerbetrieblichen, der familiären und der anderen sozialen Beziehungen werden als ein Charakteristikum der Gegenwart angesehen. Im Folgenden sollen einige Versuche besprochen werden, diesen Wandel auf seinen Beitrag zur Entstehung von psychischen Störungen am Arbeitsplatz hin zu untersuchen.
Kahn u. a. (44, S. 76) betrachten betriebliches Größenwachstum, technische Neuerungen und Personalumsetzungen unter dem Aspekt der dadurch verursachten Rollenunklarheit. In manchen Firmen sei es infolge der genannten Veränderungen selten, daß ein Beschäftigter und alle seine Rollensender als intaktes Team für mehr als einige Wochen oder Monate zusammen bleiben. Die ersten Wochen nach einer Umsetzung seien mit Unsicherheit belastet, bis die neue Rolle gelernt sei. Insofern der ‚Neue‘ seine Rolle anders als sein Vorgänger ausfülle und an seine Mitarbeiter andere Erwartungen hege, erzeuge er auch für diese Unsicherheit. Als empirischer Beleg für die Häufigkeit dieser Belastung seien Wolfe und Snoeck (83) zitiert, die bei 75 % der Neuankömmlinge in einer Firma, aber nur bei 35 % der ihr über zehn Jahre Angehörenden starke Rollenkonflikte feststellten.
Esser (26) nennt als Folgen des Wandels einer Organisation die Verunsicherung durch drohenden Arbeitsplatzverlust, die Frustration des Wunsches nach Geborgenheit durch Auflösung und Umgruppierung formaler und informaler Gruppen, die Gefahr des Verlusts von Ansehen und Macht, und die Gefahr des Verlusts von technischer Kompetenz durch Veränderung der Aufgabenstruktur.
Sivadon und Veil (72) arbeiten mit dem Begriff zentralnervöser Funktionskreise, die der Anpassung an Umweltbelastungen um so stabiler dienen könnten, je älter und geübter sie stammesgeschichtlich und in der Entwicklungsgeschichte des Einzelnen seien. Da die Entwicklung der Technik dem Nervensystem keine Zeit zur Nachreife gelassen habe, werden die Arbeiter heute zur Verwendung fragiler nervöser Strukturen gezwungen. Darin liege ein überindividueller Grund für die Entstehung der nervösen Überarbeitung. Die Gefahr einer solchen Überforderung sehen Sivadon und Veil z. B. bei einer Unüberschaubarkeit der Arbeitsgruppe, des Arbeitsraums oder des Arbeitsvorgangs, bei Wechselschicht, Hetzarbeit oder konfliktbelasteten Rollen wie der des Meisters.
Zum Beleg für die Vielfalt von psychischen Belastungen, die durch den sozioökonomischen Wandel im Arbeitsleben entstehen können, sei noch summarisch auf die folgenden Themen verwiesen: zunehmende Berufstätigkeit der Frauen führt zu ihrer ‚Doppelbelastung‘ mit psychischen Störungen im Gefolge (49, 66, 74, 85, 86); psychische Störungen bei Arbeitslosigkeit (13, 47, 51, 73); psychische Belastungen durch einschneidende ‚Rationalisierung‘ und Modernisierung des Arbeitsplatzes (27, 28, 51, 52, 67, 69, 76, 86).
Wie ein Blick auf die genannten Arbeiten zeigt, ist der soziale Wandel als Ursache psychischer Störungen noch unzureichend erforscht und wird empirisch nur faßbar, wenn er z. B. als „Arbeitslosigkeit“, „Doppelbelastung der Frau“ oder „Rationalisierung“ operationalisiert wird. Andererseits kann die Zusammenfassung dieser Indikatoren als „Sozialer Wandel“ nur einen Erkenntnisgewinn im Interesse der Patienten bedeuten, sofern der Wandel der Gesellschaft nicht als quasi-biologisches Gesetz, sondern als geschichtlicher Prozeß begriffen wird, in den die darin Benachteiligten gestaltend eingreifen können. (Vgl. dazu die Kritik C. W. Mills‘ (55) an der Gleichsetzung der Gesellschaft mit einem biologischen Organismus in der traditionellen amerikanischen Sozialpsychiatrie.) Mit dieser Perspektive würde zugleich die präventivmedizinische Konsequenz aus den o. g. Befunden als sozialpolitische Forderung nach Gleichberechtigung der Frau, Recht auf Arbeit oder Rationalisierungsschutz erkennbar werden.

2. HERRSCHAFT


Die Anregung, betriebliche Herrschaftsverhältnisse als eigenständige Größe bei der Entstehung psychischer Störungen anzusehen, verdanke ich dem Aufsatz von Beelze (6). Er schildert aus gewerkschaftlicher Erfahrung eine Fülle von Beispielen entwürdigender Behandlung durch machtvolle Vorgesetzte. Die industriesoziologischen Abhandlungen und Lehrbücher von Bendix (7), Burisch (17), Oldendorf (59) oder Stagner (73) seien als weiterer Beleg für die Bedeutung der hierarchischen Betriebsstruktur, für die Universalität und das Gewicht von Kontrolle und Abhängigkeit der Beschäftigten genannt. Doch nun zu den einzelnen Autoren, die Erklärungen für den Zusammenhang von Herrschaft im Betrieb und psychischen Störungen versucht haben.
Ammon (2) geht in seinem Aufsatz über Herrschaft und Aggression zunächst auf die überragende Bedeutung der von der Mutter dem Kind verweigerten Liebe für die Entstehung von Aggressionen ein. Er verknüpft aber die familiären Sozialisationsbedingungen mit makrosozialen Gegebenheiten, indem er auf die Väter verweist, die ihre beruflichen Enttäuschungen an der Familie abreagieren. Die Häufigkeit von Kindesmißhandlung erklärt er (mit einem Zitat von Baran 1966) durch die „Verstümmelung seiner Natur unter die Erfordernisse des Unternehmens, die tödliche Verletzung seiner Spontaneität und seine Verwandlung in einen selbstsüchtigen, berechnenden und umsichtigen Teilnehmer am Produktionsprozeß“.
Der Gedanke einer Entstehung psychischer Störungen durch das berufsbedingte Fehlverhalten der Eltern bei der Kindererziehung ist aus der psychiatrischen Alltagserfahrung geläufig: Viele Eltern späterer Patienten hatten wenig Zeit für die Kinder, waren müde und reizbar, reagierten berufsbedingte Aggressionen in der Familie ab oder wollten eigene Aufstiegswünsche durch Leistungen des Kindes überkompensieren.
Erstaunlicherweise spielt dieser sozialisationstheoretische Ansatz in der „occupational psychiatry“ fast keine Rolle – ganz im Gegensatz zu seinem Gewicht in der übrigen Psychiatrie. Im Zusammenhang des Themas der betrieblichen Herrschaftsverhältnisse kann lediglich noch die Untersuchung von Pearlin und Kohn (61) genannt werden. Sie stellten einen Zusammenhang der elterlichen Erziehungsideale „Selbstkontrolle“ und „Gehorsam“ mit der beruflichen Erfahrung der Eltern von Möglichkeiten zur Selbstkontrolle oder von der Unterwerfung unter fremde Aufsicht fest.
Die Individualpsychologie baut ihre umfassende Theorie psychischer Störungen auf die Lehre von den Minderwertigkeitsgefühlen. Diese würden von unserer Gesellschaftsordnung verstärkt, indem das Konkurrenzprinzip das individuelle Machtstreben über den Gemeinsinn stelle. Insofern spricht Dreikurs (23) von einer „neurotischen Gesellschaftsordnung“. Diese wichtige Begründung eines Teilmoments der Entstehung psychischer Störungen in einem Prinzip der Wirtschaftsordnung wird aber überwiegend in der Analyse der Sozialisationsbedingungen der Kranken, weniger in der aktuellen beruflichen Situation gefunden.
Kahn u. a. (44) untersuchen in ihrem komplexen Modell unter anderem auch die Abhängigkeit des Rollenkonflikts von der Stärke der Macht des „Rollensenders“ über den „Empfänger“. War der Rollensender wesentlich mächtiger als der Empfänger, so resultierten bei diesem im Konfliktfall erheblich ernstere Spannungen, weil er den Forderungen dieses Senders nicht ausweichen konnte. (Vgl. dazu auch Peter, 62, weiter oben.) Wenn der Rollensender auf das Verhalten seines schwächeren Gegenübers selber erheblich angewiesen war, fühlte sich dieser oft hoffnungslos, wertlos, mit der Arbeit unzufrieden und zog sich in ein resigniertes Disengagement von seinen Mitarbeitern zurück.
Abholz (1) fand bei seiner kontrollierten Befragung von Schizophrenen über ihre frühere Arbeitssituation u. a. folgende Angaben signifikant gehäuft: „Das Arbeitstempo kann nicht selbst bestimmt werden“, es gibt keine „Möglichkeiten, während der Arbeit Pausen zu machen“ (1, S. 32 ff), resignierte Reaktionen auf Anordnungen, die ohne vorherige Befragung der Betroffenen erfolgten, Unfähigkeit zu Widerspruch bei anscheinend falschen Anordnungen des Vorgesetzten. Signifikant weniger Schizophrene glaubten, sich bei ungerechter Behandlung im Betrieb wehren zu können. Abholz deutet diese Befunde einmal als Krankheitsfolge, zugleich aber als Indiz für stärkere Belastungen, denen die Patienten ausgesetzt waren, weil sie sich häufiger als die Kontrollgruppe in untergeordneter Stellung befanden. Diese schichtspezifischen Mehrbelastungen lassen sich als Folgen der weisungsgebundenen und taktgebundenen Arbeit, also der geringen Macht der Befragten interpretieren.
Wie stark solche geringe Autonomie am Arbeitsplatz beim Arbeiter Gefühle von Monotonie, Wertlosigkeit, Angst und Müdigkeit erzeugt, dürfte durch die jüngsten empirischen Arbeiten von Gardell (32, 33, 34) als erwiesen gelten. (vgl. weiter unten S. 23)
Mann und Williams (52) wiesen deutliche psychische Streßerscheinungen bei der Umstellung einer Großfirma auf EDV nach. In einem ganzen Bündel anderer Automatisierungsfolgen fanden sie auch eine Zunahme der Kontrollierbarkeit der im EDV-Bereich Beschäftigten und ihre vermehrte Abhängigkeit von den Kollegen.
Paykel (60) fand bei der Analyse belastender Lebensereignisse im Vorfeld von Depressionen und Suicidversuchen, daß hier signifikant häufiger als bei Kontrollpersonen Ereignisse auftraten, deren Eintritt die später Erkrankten nicht kontrollieren konnten.
Zander und Quinn (84) beschreiben in ihrer Übersichtsarbeit als gemeinsamen Nenner aller Umgebungseinflüsse auf die psychische Verfassung die Chance eines Arbeiters, sein eigenes Schicksal beherrschen zu können (control) und ein günstiges Ergebnis seiner Anstrengungen erwarten zu dürfen. Unsichere oder repressive Arbeitsbedingungen, die die Möglichkeit einer solchen unabhängigen Kontrolle einschränkten, führten zu Verstimmungen.
In einer hypothetischen Verbindung von Lerntheorie und politischer Ökonomie versucht Frese (31), die arbeitsplatzbedingten psychischen Störungen als Folge von aversiver Stimulierung unter Bedingungen eingeschränkter Kontrolle theoretisch zu begreifen. Er faßt einerseits eine Fülle human- und tierexperimenteller Studien zusammen, in denen wechselnd vermeidbare oder vorhersagbare Elektroschocks „Neurosen“, „Depressionen“ etc. erzeugten. Andererseits findet er die Variablen (aversive Stimulierung und eingeschränkte Kontrolle) in der Politökonomie wieder – als Machtlosigkeit des Arbeiters und als Streß der Arbeit. So problematisch diese Analogiebildung erscheint, weil sie unvermittelt von ganz künstlich „reinen“ Laborbedingungen in die extrem komplexere soziale Wirklichkeit springt – so heuristisch wertvoll erscheint diese Verknüpfung einer Theorie von der Entstehung psychischer Krankheiten mit einer Theorie, die belastende Arbeitsbedingungen im Zusammenhang der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung erklärt.
Felton (27) erwähnt einige Untersuchungen aus den USA, denen zufolge die Streßwirkung von Arbeitsplatzumstellungen erheblich gemildert werden, wenn sie Betroffenen ein Mitspracherecht haben – sich also nicht der Veränderung ohnmächtig unterworfen fühlen müssen.
Ein weiterer Hinweis darauf, daß die psychische Belastung durch Umgebungseinflüsse davon abhängt, ob man sich ihnen passiv ausgeliefert fühlt oder nicht, findet sich in der Arbeit von Glass und Singer (35) über psychische Lärmschäden.
In eine ähnliche Richtung deutet eine theoretische Analyse von Haggstrom (39). Zur Erklärung der psychischen Auffälligkeiten der Armen benutzt er einen komplexen interaktionistisch und strukturell orientierten Ansatz. „Die Situation der Abhängigkeit und Machtlosigkeit infolge interner Persönlichkeitscharakteristika und infolge der sozialen Position führt zu Apathie, Hoffnungslosigkeit, Überzeugung von der eigenen Unfähigkeit und Versagen beim Erlernen neuer Fähigkeiten etc.“ (39, S. 215, Übers. v. Verf.) Eine entscheidende Rolle komme bei dieser Entwicklung nicht dem Mangel an Geld, sondern der Machtlosigkeit zu, eingebettet in eine gesamtgesellschaftliche Dynamik, die die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden läßt. Haggstrom berichtet von einzelnen Feldprojekten, die eine allmähliche Verbesserung der psychischen Verfassung der Armen erreichten, sobald diese sich organisierten und aus eigener Macht Aktionen zur Verbesserung ihrer Lage unternahmen.
Angesichts einer Fülle von epidemiologischen Beweisen für die Häufung psychischer Störungen bei den Armen sind weitergehende Untersuchungen über die Rolle der Macht bei der Entstehung psychischer Störungen dringend geboten. Dabei sollte dann der beruflichen Lage, dem entscheidenden Hintergrund von Armut und Machtlosigkeit, größere Aufmerksamkeit gewidmet werden. In den meisten epidemiologischen Arbeiten werden die beruflichen Streßfaktoren mit der pauschalen Erhebungskategorie „Unterschichtszugehörigkeit“ nämlich gar nicht erfaßt.

3. ARBEITSTEILUNG


Ausgehend von einem anthropologischen Ideal der Arbeit als Mittel der Selbstverwirklichung von kooperierenden Individuen im gemeinsamen Werk ist bei zunehmender Teilung der Arbeit bis in kleine, sich ständig wiederholende Bruchstücke eine Störung der Selbstverwirklichung zu erwarten. Ein bewußtes Leiden an solcher Arbeit wird auftreten, wenn das o. g. Ideal bewußt ist. Die dann auftretenden Konflikte sind teilweise schon unter dem Stichwort „Anomie“ abgehandelt. Im Anomiebegriff steckt aber die Auffassung, die Arbeit könne noch so stumpfsinnig sein, wenn nur die allgemeine Norm sie gutheiße, nehme der Einzelne keinen Schaden dadurch. Unter Abstraktion von den Fragen der sozialen Norm und der individuellen Erwartung geht es im Folgenden um den Zusammenhang von psychischen Störungen mit den Selbstentfaltungsmöglichkeiten, die der objektive Arbeitsinhalt bietet. Zugleich geht es dabei um Einflüsse der Sozialstruktur, weil die höchst ungleiche Verteilung der Selbstentfaltungsmöglichkeiten in den Arbeitsinhalten der verschiedenen Gesellschaftsklassen sich aus deren Bildungschancen und Verfügung über die Produktionsmittel ergibt.
Gardells (34) zentrale Hypothese ist, „daß Art und Inhalt der Arbeit die Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse am Arbeitsplatz beeinflussen. Der psychologisch relevante Arbeitsinhalt soll zwei Hauptaspekte bieten:
1. Der Ermessensspielraum des Einzelnen bei der Entscheidung über Arbeitsplan, Arbeitsmethode und –Geschwindigkeit sowie über die soziale Interaktion bei der Arbeit.“ (vgl. dazu das Kapitel ‚Herrschaft‘ weiter oben)
„2. Das Niveau der Fertigkeiten, das die Aufgabe dem Einzelnen abverlangt: Seine Kenntnisse, Initiative, Selbständigkeit und Kontaktfreudigkeit – kurz alle kreativen Talente, die man zu einer zufriedenstellenden Arbeit braucht.“ (34, S. 2, Übers. v. Verf.)

Gardell stellte nun in umfangreichen Feldstudien fest, daß bei geringer Ausprägung dieser beiden Aspekte des Arbeitsinhalts die betroffenen Arbeiter mit ihrem Leben weniger zufrieden waren, weniger Selbstachtung und mehr Ängstlichkeit zeigten. (vgl. auch 32, 33)
Bartenwerfer (4) erwähnt zwar die Unfallgefahr bei Monotoniezuständen und die Ermüdung, die vorzeitig durch das Ankämpfen gegen die Monotonie entsteht. Weitere psychopathologische Symptome als Folge solcher Tätigkeiten führt er aber aus Mangel an Langzeitbeobachtungen nicht an. Lediglich bei der psychischen Sättigung (= Langeweile: im Unterschied zur Monotonie erfolge kein Absinken der unspezifischen zentralen Aktiviertheit, sondern ein Zustand gesteigerter Anspannung und Nervosität) berichtet er über schwere Kopf- und Rückenschmerzen und „quasi-hysterische“ Erscheinungen als psychogene Folgezustände.
Blauner (10) untersuchte das Problem der monotonen Fließbandarbeit in der Automobilindustrie. Er stellt fest, daß es bei monotoner Arbeit ein Gefühl gebe, sich selbst zu verlieren und anonym zu werden, das wahrscheinlich mehr psychische Störungen hervorrufe als die Langeweile oder die Anspannung bei der Bandarbeit. Um diese Ausführungen anschaulicher zu machen, zitiert er aus dem Interview mit einem Arbeiter: „Nichts entmutigt einen mehr, als wenn man eine Tonne mit 10 000 Bolzen neben sich hat und die alle aufbraucht. Dann kriegt man eine Tonne mit 10 000 neuen Bolzen und man weiß, jeder von den 10 000 Bolzen muß rausgeholt werden und an genau dieselbe Stelle gesteckt werden wie die vorigen 10 000 Bolzen.“ (10, S. 431, Übers. v. Verf.)
Kornhauser (47) fand als wichtigste Voraussetzung psychischer Gesundheit die von der Arbeit her gebotene – oder versagte – Möglichkeit der Selbstentfaltung mit den daher rührenden Gefühlen von Interesse, Erfolg und Selbstvertrauen. Fehlte diese Möglichkeit, sich in der Arbeit zu verwirklichen, so ergaben sich bei den von ihm interviewten 407 Automobilarbeitern signifikant häufiger Zeichen von Angst, Feindseligkeit, vermindertem Selbstvertrauen, sozialer Isolierung und von Pessimismus.
Rosenstock (zit. n. Wiesenhütter, 82) hatte die in diesem Kapitel behandelte Hypothese bereits 1922 formuliert: „Die Seele des modernen Menschen verdorrt heute, weil sie nicht genügend von ihrer Arbeit her gestaltet ist“ (82, S. 773). Mehr als 50 Jahre später ist dieser Satz zwar plausibler geworden, für die Entstehungsweise psychiatrischer Krankheiten ist seine Gültigkeit allerdings so gut wie unbewiesen. Denn die ausgezeichneten Arbeiten von Gardell und Kornhauser belegen zwar die Häufung von abnormen Gefühlen und Verhaltensweisen bei Arbeitsfähigen. Sie geben aber nicht Auskunft auf die Frage, bei wievielen Arbeitern sich diese arbeitsbedingten Symptome derart steigern, daß von psychiatrischen Krankheiten gesprochen werden muß.

Schluß


Mit dieser Arbeit sollte ein Überblick über theoretische Vorstellungen vom Zusammenhang psychischer Störungen mit Arbeitsbedingungen versucht werden. Der Überblick könnte einen praktischen Nutzen für die Förderung des Arbeitsschutzes bringen, wenn er zur Durchführung theoretisch umfassender fundierter empirischer Arbeiten anregt. Denn zusammenfassend muß leider die theoretische Untermauerung der meisten hier besprochenen Arbeiten als unzureichend charakterisiert werden, weil jeweils entscheidende Variable, Methoden oder Fragestellungen nicht in den Untersuchungsplan einbezogen wurden. Wenn solche Forschungsergebnisse beispielsweise Eingang in die Berufskrankheitenliste oder die betriebliche Mitbestimmungspraxis finden sollen, müssen sie als „gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse“ gelten. Welche Anforderungen sind vom Standpunkt dieses theoretischen Überblicks aus für die Wissenschaftlichkeit von Untersuchungen zur Sozialpsychiatrie der Arbeit wichtig?
- Die Hypothesen sollten explizit aus einer Theorie abgeleitet sein, die Aussagen über die Entstehung psychischer Störungen mit Aussagen über sozioökonomische und sozialpsychologische Gesetze der Arbeit verbindet.
- Der Forschungsansatz sollte folgende Größen miterfassen:
die individuelle Disposition,
sowohl objektive als auch subjektive Maße für betriebliche Belastungen,
das Gesamt der belastenden und entlastenden Faktoren (vgl. S. 8 ff) besonders:
individuelle und kollektive Adaptationsmechanismen, Interaktionsregeln, Rollen- und Statuskonflikte, den Wandel der Arbeitsbedingungen, das Verhältnis von Autonomie und Ohnmacht am Arbeitsplatz und die Möglichkeit, sich in der Arbeit zu verwirklichen.
- Die Studien sollten Kontrollgruppen verwenden und die Ergebnisse statistisch gegen Zufallseffekte und die Wirkung außerberuflicher Belastungen absichern.
Doch auch wenn eine Arbeit durch umfassende theoretische Untermauerung und methodisch sauberes Vorgehen mit Kontrolle möglichst vieler Variabler herausragt (vgl. z. B. 34, 44, 47), steht die Anerkennung ihrer Ergebnisse in der arbeitsmedizinischen Fachwelt noch vor erheblichen Schwierigkeiten.

Feststellungen darüber, ob bestimmte psychische Störungen durch berufliche Bedingungen verursacht, ausgelöst oder verschlimmert werden, sind von bedeutendem sozialpolitischem Streitwert, hängen doch daran enorme Folgekosten für die Arbeitgeberseite. Diese Kosten werden z. Z. von der Krankenversicherung getragen; eine Kostenübernahme durch die von den Unternehmern allein finanzierte Berufsgenossenschaft setzt nur bei Vorliegen eines Arbeitsunfalles oder einer der durch Verordnung listenmäßig katalogisierten Berufskrankheiten ein. Eine Krankheit wird in diese Liste jedoch nur aufgenommen, wenn

    „1. ein schädigendes Ereignis (durch die Beschäftigung im Betrieb) vorlag, 2. ein Körperschaden auftrat, 3. ein ursächlicher Zusammenhang zwischen a) der Beschäftigung im Betrieb und dem schädigenden Ereignis und b) zwischen diesem Ereignis und der Schädigung (Erkrankung) selbst bestand.“ (Borneff, 12, S. 4 und 5)


Die wirklich entscheidende Schwierigkeit liegt nun darin, daß die meisten psychischen Störungen multifaktoriell bedingt sind und der Anteil der betrieblichen Faktoren im Einzelfall nicht exakt oder gar nicht abgegrenzt werden kann. Dies sei durch eine Äußerung Valentins (77, S. 10) über die Verursachung des Myokardinfarkts durch schwere körperliche Überlastungen oder extremen psychischen Streß im Erwerbsleben belegt: „Kausal besteht für den Gutachter die schwierige Aufgabe, im Einzelfall abzuwägen, ob das angeschuldigte Berufsereignis so gravierend war, daß die Merkmale einer wesentlichen Ursache vorlagen, oder ob nicht doch nur ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen gegeben war. Zur Anerkennung als wesentliche Ursache ist es notwendig, daß schwere körperliche Überlastungen oder extreme psychische Überforderungen im täglichen Berufsleben vorgelegen haben.“ (77, S. 10) Eine Anpassung dieses besonderen „Kausalitätsbedürfnisses“ der herrschenden Lehre an die Natur der Sache (der Sozialpsychiatrie der Arbeit) – die eben kaum monokausale Zusammenhänge kennt und voller Interdependenzen und Komplementärbeziehungen steckt – erscheint dringend geboten.

Literaturverzeichnis


    1 H. H. Abholz: Die Bedeutung des industriellen Arbeitsplatzes für den schizophrenen Patienten – Eine Frage für die Arbeitsrehabilitation. Dissertation, FU-Berlin 1973.
    2 G. Ammon: Herrschaft und Aggression. Berlin 1973.
    3 W. Bachmann, E. Otto, H. Thiele: Psychische u. neurovegetative Beanspruchungen im Arbeitsprozess u. ihre Auswirkungen auf die Gesundheits- u. Persönlichkeitsentwicklung. Zschr. ärztl. Fortbildg. 1973, 67 (Heft 8), 312-16.
    4 H. Bartenwerfer: Psychische Beanspruchung u. Ermüdung. In: H. Thomas u. a. (Hrsg.): Handbuch der Psychologie, Band 9, Hogrefe, Göttingen 1970.
    5 H. S. Becker: Außenseiter. Zur Soziologie abweichenden Verhaltens. Fischer, Frankfurt/M. 1973.
    6 B. Beelze: Über Herrschaft im Betrieb. Das Mitbestimmungsgespräch (Düsseldorf) 1971, 17, pp. 3-6, 75-78, 131-34.
    7 R. Bendix: Herrschaft u. Industriearbeit. EVA, Frankfurt/M. 1960.
    8 Ch. Bethge: Untersuchungen über die pathogenetische Wirksamkeit von Berufskonflikten bei Männern u. Frauen. In: M. Szewzcyk (Hrsg.): Konflikte im Beruf. VEB Deutscher Verl. d. Wissenschaften, Berlin 1968.
    9 P. M. Blau: Exchange and Power in Social Life. Wiley, New York 1964.
    10 R. Blauner: The Auto Worker and the Assembly Line: Alienation intensified. In: S. Marcson (Ed.): Automation, Alienation and Anomie. Harper & Row, New York 1970.
    11 E. Bleuler: Lehrbuch der Psychiatrie, 12. Auflage von M. Bleuler. Springer, Heidelberg 1972.
    12 J. Borneff: Ziele u. Bereiche der Arbeitsmedizin. In: J. Borneff (Hrsg.): Arbeitsmedizin in Vorlesungen, Schattauer, Stuttgart 1973.
    13 D. D. Braginsky, P. M. Braginsky: Arbeitslose, Menschen ohne Vertrauen in sich u. das System. Psychologie Heute, 1975, 2, 23-28.
    14 W. Bräutigam: Reaktionen, Neurosen, Psychopathien. Thieme, Stuttgart 1969.
    15 A. Bruggemann, P. Groskurth, E. Ulich: Arbeitszufriedenheit. Huber, Bern 1975.
    16 A. Bruggemann: Messung der Arbeitszufriedenheit. Psychologie Heute, 1975, 2, 47-51.
    17 W. Burisch: Industrie- u. Betriebspsychologie. Gruyter, 1969.
    18 P. Christian, P. Hahn, E. Nüssel: Streß u. Herzinfarkt. Deutsches Ärzteblatt 1976, Heft 13, 877-80.
    19 R. E. Clark: Psychoses, Income and Occupational Prestige. Am. J. Sociol. 1949, 54, 433-40.
    20 R. Cochrane, A. Robertson: Stress in the Lives of Parasuicides. Soc. Psychiat. 1975, 10, 161-71.
    21 R. Dahrendorf: Rolle und Rollentheorie. In: W. Bernsdorf (Hrsg.): Wörterbuch der Soziologie, Fischer, Frankfurt/M. 1972.
    22 L. Delius: Psychovegetative Belastung am Arbeitsplatz. Arbeitsmed, Sozialmed, Arbeitshygiene, 1971, 6, 253-55.
    23 R. Dreikurs: Grundbegriffe der Individualpsychologie. Klett, Stuttgart 1969.
    24 W. Dummer: Spezifische Konstellationen u. Persönlichkeitsmerkmale bei beruflich überforderten Psychotherapiepatienten. In: M. Szewzcyk, a.a.O. (Vgl.: Bethge, 8)
    25 G. Elsner: Neuere Methoden in der Arbeitsmedizin. In: F. W. Haug (Hrsg.): Jahrbuch für kritische Medizin, Argument V., Berlin 1976.
    26 W. M. Esser: Konfliktverhalten in Organisationen. Dissertation, Mannheim 1972.
    27 J. S. Felton: Emotional Health in Industrys. J. occupational Medicine, 1967, 9, 439-48.
    28 D. Ferguson: A Study of Neurosis and Occupation. Brit. J. Industrial Med. 1973, 30, 187-98.
    29 J. R. P. French: Laboratory and field studies of power. In: R. L. Kahn & E. Boulding (Eds.): Power and Conflict in Organizations. Tavistock, London 1964.
    30 J. R. P. French, R. L. Kahn: A programmatic approach to studying the industrial environment and mental health. J. soc. issues, 1962, 18(3), 1-47.
    31 M. Frese: Psychische Störungen bei Arbeitern. Müller, Salzburg 1977.
    32 B. Gardell: Psychosocial aspects of work. Vortrag im psychologischen Inst. der TU-Berlin, 12.2.1976.
    33 ders.: Zur Qualität von Werk- und Freizeittätigkeiten u. ihrer Anerkennung in Wohlstandsgesellschaften. In: J. K. H. W. Schmidt (Hrsg.): Planvolle Steuerung des gesellschaftlichen Handelns. Westdt. Verl., o. J.
    34 ders.: Technology, Alienation and Mental Health. Reports from the Department of Psychology, The University of Stockholm, 1975, Nr. 456.
    35 D. C. Glass, J. E. Singer: Urban stress. Experiments on noise and social stressors. Academic Press, New York 1972.
    36 O. Graf, J. Rutenfranz, E. Ulich: Nervöse Belastung bei industrieller Arbeit unter Zeitdruck. In: L. Brandt (Hrsg.): Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen Nr. 1425. Westdeutscher Verl. Köln, 1965.
    37 I. Grant, M. Gerst, J. Jager: Scaling of Life Events by Psychiatric Patients and Normals. J. Psychosomatic Res.: 1976, 20, 141-49.
    38 H. Häfner: Modellvorstellungen in der Sozialpsychiatrie. Zschr. Psychother. med. Psychol. 1969, 19, 85-114.
    39 W. C. Haggstrom: The Power of the Poor. In: F. Riesmann et al. (Eds.): Mental Health of the Poor, Free Press, New York 1964.
    40 K. O. Hondrich: Mitbestimmung und Funktionsfähigkeit von Unternehmen. Das Mitbestimmungsgespräch (Düsseldorf) 1975, 21, 157-62.
    41 Institut für angewandte Sozialwissenschaft (Infas): Soziale Indikatoren: Repräsentativumfrage: Qualität des Arbeitslebens. In: Sozialpolitische Informationen VIII/29 vom 6.8.1974, Hrsg.: Bundesminister f. Arbeit- u. Sozialordnung, Bonn-Duisdorf.
    42 E. F. Jackson: Status Consistency and Symptoms of Stress. Am. soc. rev. 1962, 27, 469-80.
    43 E. Jaques: Executive Organizations and Individual Adjustment. J. Psychosomatic Res. 1966, Vol. 10, 77-82.
    44 R. L. Kahn, D. M. Wolfe, R. P. Quinn, J. D. Snoeck: Organizational stress. Wiley, New York 1964.
    45 D. Katz: Approaches to managing conflict. In: R. L. Kahn, E. Boulding (Eds.): Power and Conflict in Organizations. Tavistock, London 1964.
    46 R. J. Kleiner, S. Parker: Goal-striving, social Status and mental Disorder. In: K. S. Weinberg (Ed.): The Sociology of mental disorders, London 1967.
    46a R. König: Anomie. In: W. Bernsdorf (Hrsg.): Wörterbuch der Soziologie, Fischer, Frankfurt/M. 1972.
    47 A. Kornhauser: Mental Health oft he industrial Worker. Wiley, New York 1965.
    48 T. S. Langner, S. T. Michael: Life Stress and Mental Health. Glencoe 1963.
    49 S. Leder: Berufsfaktoren und neurotische Störungen. In: M. Szewczyk (Hrsg.): a.a.O. (Vgl.: Bethge, 8)
    50 E. M. Lemert: Human Deviance, social Problems and social Control. Prentice Hall Inc., Englewood Cliffs N. J., 1967.
    51 U. Lundberg, T. Theorell, E. Lind: Life Changes and Myocardial Infarction; Individual Differences in Life Change Scaling. J. Psychosom. Res. 1975, 19, 27-32.
    52 F. C. Mann, L. K. Williams: Some effects oft he changing work environments in the office. J. soc. issues 1962, 18, 90-101.
    53 A. A. McLean: Occupational Mental Health: Review of an Emerging Art. Am. J. Psychiat. 1966, 123, 961-76.
    54 R. Michaelis, P. Horstmann: Depression und Beruf. Med. Welt 1972, 23(36), 1200-1201.
    55 C. W. Mills: The professional ideology of social pathologists. Am. J. Sociol. 1943, 49.
    56 E. F. Mueller: Selbstaktualisierung, Überlastung und Gesundheit. Ein theoretischer Bezugsrahmen. Kölner Zschr. f. Soziol. u. Sozialpsychol. 1965, 17, 855-77.
    57 R. G. Neel: Nervous Stress in the Industrial Situation. Personnel Psychol. 1955, 8, 405-15.
    58 W. S. Neff: The psychodynamics and psychopathology of work. In: L. E. Abt, B. E. Ries (Eds.): Progress in Clinical psychology, Vol. IV: Clinical Psychology in Industrial Organizations. Grune & Stratton, New York 1971.
    59 A. Oldendorff: Sozialpsychologie im Industriebetrieb, Bachem, Köln 1970.
    60 E. S. Paykel: Life stress and psychiatric disorder. In: B. S. Dohrenwend, B. P. Dohrenwend (Eds.): Stressful life events, Wiley, New York 1973.
    61 L. I. Pearlin, M. L. Kohn: Social class, occupation and parental values: A cross national study. Am. Soc. Rev. 1966, 31, 466-79.
    62 H. Peter: Paradoxes Führungsverhalten. Psychologie Heute, 1975, 2(11), 58-60.
    63 Th. Peters: Arbeitswissenschaft für die Büropraxis. Schilling, Herne 1973.
    64 D. L. Phillips: Social class and psychological disturbance: The influence of positive and negative experiences. Sozialpsychiatrie, 1968, 3(2), 41-46.
    65 L. W. Porter, R. M. Steers: Organizational, work, and personal factors in employee turnover and absentism. Psychol. Bull. 1973, 80, 151-76.
    66 H. J. Prill: Ergebnisse aus sozialmedizinischen Felduntersuchungen bei 45-55-jährigen Landfrauen. Arbeitsmed., Sozialmed. Arbeitshygiene, 1969, 4, 45-48.
    67 P. M. Roman: Etiology of psychiatric disorders in work organizations (Review). Arch. Environ. Health 1969, 19, 548-59.
    68 R. N. Sanford: Individual Conflict and organizational interaction. In: R. L. Kahn, E. Boulding (Eds.): Power and conflict in organizations. Tavistock, London 1964.
    69 J. F. Scholz: Über Fragen der Arbeitsplatzanalyse in automatisierten Produktionsabschnitten. Arbeitsmed. Sozialmed. Sozialhygiene 1970, 5, 309-13.
    70 J. Siegrist: Lehrbuch der medizinischen Soziologie, Urban & Schwarzenberg, München 1974.
    71 R. Singer, J. Rutenfranz, F. Nachreiner: Zur Beanspruchung des Menschen bei Überwachungs-, Kontroll- und Steuerungstätigkeiten in der Industrie. Arbeitsmed., Sozialmed., Arbeitshygiene, 1970, 5, 314-19.
    72 P. Sivadon, C. Veil: Psychopathologie der Industriearbeit. Psychiat. Neurol. Med. Psychol. 1967, 19, 14-23.
    73 R. Stagner: Psychology of industrial conflict. Wiley, New York 1956.
    74 M. Stosberg: Psychosoziale Belastung im Berufsleben. Arbeitsmed. Sozialmed. Präventivmed. 1975, 10, pp. 14-16 sowie 76-78.
    75 H. S. Sullivan: The fusion of psychiatry and social science. Norton & Co, New York 1964.
    76 B. Teitel: The automation syndrome. Arch. Gen. Psychiat. 1967, 16, 56-59.
    77 H. Valentin, H. G. Essing: Gesundheitsschäden durch Überlastung. Ärztl. Praxis 1974, 16, 1307-10.
    78 Th. Vogel, E. Lungershausen: Soziale und andere exogene Faktoren im Vorfeld depressiver Psychosen im Involutionsalter. Arch. Psychiat. Nervenkr. 1974, 219, 187-96.
    79 P. Watzlawick, J. H. Weakland, R. Fisch: Lösungen. Huber, Bern 1974.
    80 E. Weisser: Psychovegetative Stigmen als Teilbestand leistungsfunktioneller Konstitutionsbilder. Arbeitsmed. Sozialmed. Arbeitshygiene 1971, 6, 265-68.
    81 J. Werner: Psychosomatische Störungen durch betriebliche Spannungen. Vortrag v. 9.1.1976 im Grundlagenlehrgang der Berliner Akademie f. Arbeitsmedizin. Unveröffentlichtes Manuskript.
    82 E. Wiesenhütter: Betriebsneurosen. In: Handbuch der Neurosenlehre Bd. 2, V. E. Frankl u. a. (Hrsg.). Urban & Schwarzenberg, München 1959.
    83 D. M. Wolfe, J. D. Snoeck: A study of tension and adjustment under role conflict. J. soc. issues 1962, 18, 102-21.
    84 A. Zander, R. Quinn: The social environment and mental health. A review oft he past research at the institute of social research. J. soc. issues 1962, 18, 48-66.
    85 P. Ziese: Psychoanalyse und Arbeitsmedizin. Ärztl. Praxis 1975, 27, 3757-65.
    86 N. N.: Ältere Frauen am Arbeitsplatz oft überfordert. (DGB-Umfrage ...) Frankfurter Rundschau vom 3.5.1974.

074215
Webdesign made by Jan Bolm ©