Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Aufgaben und Bedeutung der Arbeitspsychiatrie
Der Beruf bedingt ganz wesentlich die Chance zur Selbstverwirklichung in
der Arbeit, sowie das Ansehen, das Einkommen, die Wohn- und
Freizeitmöglichkeiten und die Bildungschancen der Kinder. Bei den
Berufstätigen ist der größte Teil des wachen Lebens durch Arbeitsweg,
Arbeitszeit und Erholungszeit festgelegt. Ihr Verhalten in der
Arbeitszeit ist mehr oder weniger vollständig determiniert durch
Leistungsanforderungen und den Zwang zur Anpassung an soziale und
physiko-chemische Belastungen. Das Ergebnis der beruflichen Tätigkeit
übt also entscheidenden Einfluß auf die Erfüllung oder Versagung
wichtigster Wünsche aus; die berufliche Belastung nimmt unter allen
Belastungen im Leben eine hervorragende Stellung ein. Demzufolge kann
man eine wesentliche Bedeutung beruflicher Belastungen und Versagungen
auch für die Entstehung und den Verlauf psychischer Leiden vermuten: Das
begründet ein theoretisches und therapeutisches Interesse an der
Arbeitspsychiatrie. Von größtem Einfluß auf die arbeitspsychiatrische
Forschung und Praxis ist andererseits das Interesse der Unternehmer an
der Verringerung der betrieblichen Krankheitskosten. Beispielsweise
führt Neel (57) die Zunahme psychiatrischer Beratungsdienste in
US-Firmen darauf zurück, daß die Behandlung auf lange Sicht für den
Unternehmer billiger sei als der Verlust ausgebildeter Arbeitskräfte –
zumal im Laufe ihres Lebens ca. 20 – 25 % der Beschäftigten
psychiatrische Therapie brauchten.
Betrachtet man nach diesen Vorüberlegungen, wie die Psychiatrie sich mit
dem Arbeitsleben ihrer Patienten beschäftigt, dann fallen beunruhigende
Mangelerscheinungen ins Auge: Die übliche psychiatrische Behandlung
isoliert den Kranken aus seinen familiären, beruflichen und den übrigen
sozialen Zusammenhängen und geht seine Symptome als Anomalien der
individuellen Psyche an. Im deutschen Sprachraum fehlt es sogar noch an
einer Entsprechung für den englischen Terminus „occupational psychiatry“
(den ich mit „Arbeitspsychiatrie“ übersetze).
Es gibt in der BRD auch nur eine Psychiaterin, die als Werksärztin (bei
der BASF) tätig ist. Aus den USA berichtete Anderson (in: Felton, 27)
von nur 10 bis 15 Psychiatern, die 1965 ganztägig in der Industrie
arbeiteten. Die Einbeziehung von Arbeitskollegen oder Vorgesetzten in
einen psychiatrischen Behandlungsplan und die Einführung von präventiven
Maßnahmen im Betrieb zur Verringerung psychischer Belastungen sind bei
uns die Ausnahme. In der Regel werden betriebliche Ursachen psychischer
Störungen diagnostisch ungenügend abgeklärt und liegen therapeutisch
außerhalb der Reichweite des Behandelnden.
Dieses Defizit der psychiatrischen Tätigkeit hat mehrere Gründe:
1. Die Trennung der Institutionen (ambulante Praxis, Krankenhaus,
Betrieb) erschwert den Informationsfluß und die Bewirkung von
Veränderungen über die Institutionsgrenze hinweg.
2. Der Patient fürchtet gutteils zu Recht seine Diskriminierung oder gar
Entlassung, wenn im Betrieb seine psychische Erkrankung oder der
Aufenthalt in einer „Irrenanstalt“ bekannt wird.
3. Die Beseitigung der meisten psychischen Belastungsfaktoren im Betrieb
erfordert strukturelle Veränderungen, verursacht höhere Kosten oder
beschneidet den unternehmerischen Einfluß.
4. Die anerkannten Theorien über die Entstehung psychischer Leiden sind
individuumzentriert und stellen die biologische Konstitution oder die
Einflüsse der familiären Sozialisation auf die Persönlichkeitsstruktur
in ihrer ursächlichen Bedeutung weit über akute oder chronische
situative Belastungen und deren soziale (also z. B. betriebliche)
Ursprünge. Es gibt keine Theorie, die von gesichertem empirischen Wissen
ausgehend einen gesetzmäßigen Zusammenhang von betrieblichen
Belastungen und der Entstehung psychischer Krankheiten beschreibt. Von
der Lerntheorie und der Interaktionstheorie ist ein wesentlicher Beitrag
zur Theorie der Arbeitspsychiatrie zu erhoffen – er ist bislang jedoch
nur in Ansätzen zu erkennen. Ebenso fehlt m. W. eine Integration der
betriebssoziologischen Konflikttheorien mit den psychologischen
Konflikttheorien.
5. Es gibt keine psychiatrischen Arbeitsschutzbestimmungen und
Vorschriften über werksärztliche Vorsorgeuntersuchungen, die psychischen
Überlastungen vorbeugen könnten. Das liegt aber wesentlich am Fehlen
„gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse“.
Mit dem folgenden Literaturüberblick soll die Entwicklung der
aetiologischen Theorie in der Arbeitspsychiatrie erleichtert werden und
damit eine bessere Grundlage für empirische Arbeiten hergestellt werden.
Andere Bereiche der Arbeitspsychiatrie, die berufliche Rehabilitation
psychisch Kranker und die Arbeitstherapie, werden nicht besprochen. Die
Gliederung folgt pragmatischen Gesichtspunkten und ordnet die einzelnen
theoretischen Modelle zur beruflichen Aetiologie psychischer Leiden
danach, ob sie mehr die individuellen oder mehr die betrieblichen
beziehungsweise die makrosozialen Ursachen betonen. Für die Kritik
einiger theoretischer Konzepte gelten folgende Kriterien:
Überprüfbarkeit, Übereinstimmung mit bekannten empirischen Daten,
Widerspruchsfreiheit und Komplexität. Mit Komplexität ist die Annahme
einer multikonditionalen Entstehungsweise psychischer Störungen gemeint,
der nur eine fächerübergreifende Erklärung in ihren psychiatrischen,
psychologischen, ökonomischen und soziologischen Aspekten gerecht werden
kann. Die Verwendung des Begriffs „psychiatrische Krankheiten“ soll die
Verständigung über die schwersten und hartnäckigsten psychischen Leiden
erleichtern, nicht aber als ihr Wesen einen individuellen
organpathologischen Befund voraussetzen. Viele Arbeiten erfassen statt
nosologischer Einheiten Symptome oder Syndrome; deshalb benutze ich als
allgemeinen Begriff „psychische Störungen“. Weil die Art der einzelnen
Umweltbelastung für die Art der eventuell folgenden psychischen Störung
unspezifisch ist, können auch aus Untersuchungen über flüchtige Symptome
wertvolle Hypothesen über die Bedeutung beruflicher Belastungen bei
psychischen Krankheiten erwartet werden.
Dieser Literaturüberblick kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit
erfüllen. Weitere Literatur findet man bei Abholz (1), McLean (53),
Roman (60), Wiesenhütter (82) und in den „Occupational Mental Health
Notes“, einer von 1967 – 1970 vom National Clearinghouse for Mental
Health Information, Bethesda, M.D. herausgegebenen Referatesammlung.
Individuelle Disposition
Sehr viele der Autoren, die sich mit der Arbeitspsychiatrie
beschäftigen, gehen davon aus, daß berufliche Belastungen selten als
alleinige oder auch nur wesentliche Ursache psychischer Störungen
anzusehen sind. Für sie steht die individuelle Bereitschaft, auf
irgendwelche Belastungen auch geringer Art mit seelischen Störungen zu
reagieren, im Mittelpunkt des aetiologischen Modells. Diese Disposition
wird meist als vererbt und/oder als Ergebnis einer seelischen
Entwicklung verstanden, die neurotisches, psychotisches oder süchtiges
Verhalten vorbahnte. Die „auslösenden“ Belastungen werden vor allem
deshalb nicht als entscheidend angesehen, weil ja nur die Disponierten
psychisch darunter dekompensieren.
Zweifellos gibt es viele psychiatrische Patienten, die schon vor
Eintritt in die Berufslaufbahn so deutlich feststellbare
Persönlichkeitsabweichungen, Verhaltensdefizite oder Symptome zeigten,
daß auch unter günstigen beruflichen Bedingungen eine psychische
Krankheit entstanden wäre. Aber ebenso sicher ist, daß wir nicht wissen,
unter wie starken beruflichen Belastungen welcher Art wie Disponierte
psychisch dekompensieren. Folglich können wir auch keine praktischen
Schlüsse für Berufsberatung oder Arbeitsplatzgestaltung ziehen. Es darf
auch nicht übersehen werden, wie ungenau die nachträgliche Feststellung
einer genetischen, neurotischen o. ä. Disposition ist, beziehungsweise,
wie schwer das Gegenteil („Der Patient war nicht disponiert“) zu
beweisen wäre. Aus diesen Gründen ist der wissenschaftliche Wert dieses
aetiologischen Modells etwas fraglich – zumal es leider oft als
„Lückenbüßer“ zur Entschuldigung seelisch belastender
Arbeitsverhältnisse herhalten muß.
Als erstes soll nun am Beispiel des Lehrbuches von E. und M. Bleuler
(11) die theoretische Bedeutung arbeitspsychiatrischer Aspekte in der
„Schulpsychiatrie“ dargestellt werden.
Das Modell der Aetiologie psychoreaktiver Störungen im Bleuler’schen
Lehrbuch ist individuumzentriert und multikonditional. Die Unspezifität
der einzelnen Ursachen für einzelne Symptome wird betont; d. h., ganz
verschiedene Konstellationen der ursächlichen Faktoren (Anlage, früheres
Erleben, psychische und soziale Belastungen) könnten zu demselben
Krankheitsbild führen. Der vererbten und der in der psychischen
Entwicklung erworbenen Disposition wird fast durchgängig ein größeres
ursächliches Gewicht beigemessen als aktuellen Belastungen. Diese werden
lediglich als krankheitsauslösend qualifiziert und weit häufiger im
familiären als im beruflichen Bereich gesehen.
Wenngleich im ganzen Lehrbuch von E. und M. Bleuler berufliche
Belastungen also nur als austauschbare Randbedingung bei den
psychoreaktiven Störungen (eine Ausnahme bilden die gewerblichen
Vergiftungen) erwähnt werden, so wird aus den folgenden Zitaten dennoch
klar, daß wichtige Hypothesen der Sozialpsychiatrie in der
klinisch-psychiatrischen Erfahrung im Kern längst enthalten sind:
Die krankmachende Wirkung von unzureichendem Arbeitsinhalt,
Überforderung und beruflichen Konflikten wird deutlich ausgesprochen:
„Im Beruf sollen die persönlichen Fähigkeiten ausgelebt werden können;
zu hohe Anforderungen einerseits, die Unmöglichkeit, seine Talente
auszunützen andererseits, wirkt bedrückend und spannend. Wichtig sind
ausgeglichene menschliche Berufsbeziehungen zu Vorgesetzten und
Untergebenen. Eine Brutstätte von Sozialneurosen (z. B. in Form von
Rentenneurosen) sind konfliktgeladene Gegensätze zwischen
Zusammenarbeitenden.“ (a.a.O. S. 133) Exemplifiziert wird diese Aussage
im Kapitel über die Neurasthenie (a.a.O. S. 522): „Eine der wichtigsten
Ursachen des vorzeitigen Einschaltens des „Ermüdungsventils“ ist der
innere Widerstand gegen die Arbeit. Arbeit, die man als langweilig oder
erniedrigend empfindet, die den eigenen Interessen und Fähigkeiten nicht
entspricht, bei der man sich mit Mitarbeitern, Vorgesetzten oder
Untergebenen aufreibt, die niemand anerkennt oder die man gar als
Ausbeutung empfindet, bildet einen wesentlichen Grund für
neurasthenische Reaktionen.“
Die Bedeutung der Machtlosigkeit als pathogener Faktor psychoreaktiver
Störungen wird ebenfalls unterstrichen: „Andere und wichtigere soziale
Dispositionen zur Neurosenbildung als nur die Versuchung zum Mißbrauch
von Fürsorgeeinrichtungen sind gemeinsame Beeinträchtigungsstellungen
ganzer Gruppen von Menschen anderen gegenüber; einer wirklichen oder
vermeintlichen Beeinträchtigung durch Mächtige kann sich der Bedrückte
ohne bewußten Willen in der Neurose entziehen.“ (a.a.O. S. 480)
Ausführlich behandeln E. und M. Bleuler auch die Unfallneurosen; an
unmittelbaren Ursachen wird neben Schreck, Schmerz und
Funktionsbehinderung durch das Trauma das Herausgerissenwerden aus der
Tätigkeit genannt und die Abhängigkeit vom Wohlwollen der Angehörigen
und des Arbeitgebers, Angst vor dem Verlust der Erwerbsmöglichkeit,
„Ressentiment gegen den Arbeitgeber oder gegen die ganze
gesellschaftliche Ordnung, wenn man sich ausgebeutet vorkommt“ und
„Ressentiment gegen den wirklichen oder vermeintlichen Schuldigen am
Unfall, dem man die Folgen seiner Untat deutlich zu machen und von ihm
Entschädigung zu erhalten bestrebt ist.“ (a.a.O. S. 543)
Für den individuumzentrierten Ansatz in der Arbeitspsychiatrie ist
charakteristisch, daß die psychischen Arbeitsbelastungen als eine Art
Naturkonstante hingenommen werden und kaum gefragt wird, ob sie
eventuell abnorm hoch seien. Mit dem Hinweis auf die enormen seelischen
Belastungen, die in Kriegszeiten ohne Zeichen seelischer Krankheit
toleriert wurden, wird gelegentlich erklärt, daß die vergleichsweise
geringeren Belastungen z. B. im Beruf erst recht nicht per se
psychiatrische Krankheiten verursachen könnten (vgl. Bräutigam, 14 S.
34). Darin drückt sich die sehr fragwürdige Tendenz aus, als oberen
Grenzwert der noch erträglichen seelischen Belastungen maximale
Belastungen anzunehmen. Diese Norm dient zur Rechtfertigung der
betrieblichen Praxis, die Arbeitskraft möglichst vollständig
auszulasten.
Eine Infas-Repräsentativumfrage belegt, in welchem Ausmaß tatsächlich
die arbeitende Bevölkerung diese maximale berufliche Belastung erlebt:
Rund 34 % bezeichneten die Arbeitsanforderungen als sehr hoch, 45 %
glaubten, bereits das Höchstmögliche zu leisten und 14 % hielten sich
bei der Arbeit für überfordert. (41)
Wie bereits gesagt, schreibt Bräutigam den situativen Belastungen für
die Entstehung von Konflikt- und Erschöpfungsreaktionen eine
vergleichsweise geringe Bedeutung zu. Nach seiner Auffassung wirkt
nämlich nicht schon die schwere Belastung krankmachend. Entscheidend sei
ihre Einbettung in einen die Motivation schwächenden
Konflikthintergrund; die Überlastung sei auch meist weniger aufgezwungen
aus aufgesucht. (Vgl. dazu auch Jaques, 43)
Die weitgehende Vernachlässigung der psychischen Belastung durch
Arbeitsbedingungen ist bei psychoanalytisch orientierten Autoren häufig
anzutreffen. Beispielsweise kritisiert Neff (58) zwar zu Recht die
Annahme der meisten Kliniker, daß berufliche Fehlanpassung einfach eine
Konsequenz emotionaler Probleme in anderen Lebensbereichen sei, er
selbst begreift unter „Psychodynamik und Psychopathologie der Arbeit“
jedoch lediglich Störungen der individuellen Arbeitsfähigkeit, die auch
unter den besten Arbeitsbedingungen auffallen – „pathologische“
Arbeitsbedingungen bleiben dagegen völlig unberücksichtigt.
Wiesenhütter (82) unterscheidet in seinem Sammelreferat individuelle,
betriebliche und gesellschaftliche Ursachen der „Betriebsneurosen“.
Große Aufmerksamkeit erfahren vor allem die individuellen, zur
„Betriebsneurose“ disponierenden Eigenschaften: Krankheitsfolgen,
Charakteranomalien, Neurotisierungen (z. B. die unbewußte
Selbstbestrafungstendenz der sog. Unfallpersönlichkeit, die
Erlebnisweise des In-Sich-Hineinfressens, eine auf frühkindlichen
Traumatisierungen beruhende, ungeheure Angst vor dem Versagen), „broken
home“ und in Notzeiten aufgezwungene Berufswahl. Eine
Widersprüchlichkeit der individuumzentierten Betrachtungsweise
veranschaulicht das folgende Zitat: „Der Betrieb wird der
Nebenkriegsschauplatz für alle nicht verarbeiteten Probleme, die aus der
Not der Zeit in Ehe und Erziehungsfragen, Besitzverlust, Deklassierung
usw. hervorgegangen sind.“ (a.a.O. S. 763) Wie man sieht, ist damit die
saubere Grenzziehung Individuum / Betrieb / Gesellschaft bereits
durchbrochen; der ganze sozioökonomische und historische Zusammenhang
macht sich bemerkbar – auch in Gestalt der individuellen Disposition.
Nun soll mit dem Hinweis auf verschiedene Probleme der
individuumzentrierten aetiologischen Modelle keineswegs global deren
Berechtigung in der Arbeitspsychiatrie in Frage gestellt werden.
Vielmehr drängt die Vielzahl der in der Literatur beschriebenen
disponierenden Persönlichkeitsfaktoren die Frage nach der Aussagekraft
von einseitig sozialpsychiatrisch orientierten Studien auf, die diesen
Aspekt ganz ausklammern. Bedenklich erscheint jedoch, daß oft nur
einzelne der bekannten Persönlichkeitsfaktoren von einzelnen Autoren
kontrolliert wurden.
Bartenwerfer (4) und Peters (63) berücksichtigen die Dimension
Extroversion / Introversion, die ebenso wie die Aggressivität besonders
bei Wolfe und Snoeck (83), Kahn et al. (44) sowie Porter und Steers (65)
kontrolliert untersucht wird. Den Einfluß des Autoritarismus
untersuchten French (29), Sanford (68) sowie Zander und Quinn (84). Den
Neurotizismus erwähnen Leder (49), Jaques (43), Teitel (76), Peters (63)
und Porter und Steers (65), die Intelligenz Bachmann u. a. (3) und R.
E. Clark (19).
Als Beweis für die Bedeutung individueller disponierender Faktoren bei
der Entstehung psychischer Erkrankungen im Arbeitsleben können auch die
Ergebnisse von Paykel (60) herangezogen werden: Er stellte eine
signifikante Häufung belastender Ereignisse in Ehe und Beruf im Vorfeld
von Depressionen fest, vor Selbstmordversuchen fand er die beruflichen
Belastungen (Beginn an einer neuen Stelle, Arbeitsplatzveränderungen,
Zurückstufung, Entlassung, Arbeitslosigkeit, Beförderung, Pensionierung
und Bankrott) jedoch nicht signifikant häufiger. Da in der gesamten
Bevölkerung nur etwa jeder zehnte belastende Objektverlust von einer
Depression gefolgt werde, sei die Interaktion des belastenden Ereignis
mit dem prädisponierenden Faktor der Verletzlichkeit viel entscheidender
als das Ereignis selbst.
In der psychiatrischen Epidemiologie ist sehr umstritten, wie die
Häufung einer Reihe von Erkrankungen in der Unterschicht zustande kommt.
Für manche bietet die Krankheitsverursachung durch die soziale
Unterprivilegierung sich als Erklärung an, für andere liefert der
soziale Abstieg oder der fehlende Aufstieg infolge der bereits latenten
oder manifesten Erkrankung – also ein Selektionsphänomen – die Erklärung
des epidemiologischen Befundes. Diese Kontroverse ist auch für die
Arbeitspsychiatrie eröffnet worden: Bereits 1949 diskutierte R. E. Clark
(19) zur Erklärung der großen Unterschiede in der Psychosehäufigkeit
verschiedener Berufsgruppen (für Laufjungen wurde eine neunmal höhere
Rate als für den Durchschnitt gefunden) zwei alternative Hypothesen:
1. Faktoren, die über die Berufswahl entscheiden (Konstitution,
Intelligenz, Anpassungsfähigkeit, Persönlichkeitstyp, Begabung,
Bildungsgrad, kultureller Hintergrund, Schichtzugehörigkeit und/oder
Beruf des Vaters), könnten z. T. gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit
bestimmen, an einer Psychose zu erkranken.
2. Unterschiede in berufsbedingten Erfahrungen bedingen die
unterschiedlichen Psychoseraten.
Wie Roman (67) 20 Jahre später feststellte, ist die Alternative immer
noch nicht entscheidbar. Vielleicht ist sie aber prinzipiell
unentscheidbar, weil falsch gestellt. Denn mir erscheinen Anlage und
Umwelt, Disposition und auslösende Bedingungen, individuelle,
betriebliche und makrosoziale Ursachen in der Arbeitspsychiatrie nicht
als alternative, sondern als komplementäre, oft zudem interdependente
Größen.
Soziale Wahrnehmung
Im folgenden Abschnitt soll aus einem methodischen Interesse betont
werden, daß in der arbeitspsychiatrischen Forschung keine einfache
Beziehung zwischen der „objektiven“ betrieblichen Wirklichkeit und der
davon ausgehenden seelischen Beanspruchung besteht. Vielmehr ist die
betriebliche Wirklichkeit besonders in ihrem sozialen Aspekt erst
seelisch wirksam, insofern sie als bedeutsam und ggf. belastend
begriffen wird. Die Überschrift „Soziale Wahrnehmung“ soll nun bedeuten,
daß dieses Begreifen seinerseits von persönlichen und sozialen Kräften
geprägt und verzerrt wird.
In einer sehr lesenswerten Studie über Lärmbelästigung (25) weckt zwar
G. Elsner erhebliche Zweifel an der weitverbreiteten Annahme, daß die
„subjektiven“ Angaben der Arbeiter mit objektiven Meßdaten nur schlecht
übereinstimmten. Es gibt aber eine Reihe von Autoren, die wichtige
Gründe anführen, warum für Untersuchungen in der Arbeitspsychiatrie die
Angaben der Betroffenen allein keine genügende Forschungsgrundlage
darstellen: Stagner (73) zitiert verschiedene Beispiele für eine
verzerrte Wahrnehmung betrieblicher Ereignisse. Was von den „objektiven
Fakten“ wahrgenommen werde, hänge von Vorerfahrungen und deren
affektiver Tönung ab. Er gebraucht den Begriff der „Verschiebung“ für
die Klagen über schlechte physikalische Arbeitsplatzbedingungen, denen
als eigentliche Ursache nicht-geäußerte Konflikte am Arbeitsplatz oder
daheim zugrunde lägen. Wolfe und Snoeck (83) verweisen auf die
Stabilisierung des Selbstwertgefühls durch Verleugnung „gefährlicher“
Umstände bei betrieblichen Konflikten.
Zander und Quinn (84) fassen einige Arbeiten über
Wahrnehmungsverzerrungen im betrieblichen Bereich zusammen: Es finden
sich Einflüsse von Status, Gruppenposition und persönlicher Neigung.
Beispielsweise wurde des öfteren festgestellt, daß Führungskräfte den
Kontakt mit der Wirklichkeit auf den unteren Rängen teilweise verlieren
können, weil unangenehme Nachrichten ausgesiebt und von ihnen
ferngehalten werden.
In Anlehnung an die Gestalt-Psychologie führen French und Kahn (30) die
Unterscheidung zwischen der objektiven Arbeitsplatzumgebung und der
psychologischen Arbeitsplatzumgebung ein. Die objektive Umgebung werde
durch individuelle Motive und die Begrenztheit individueller Erfahrung
verzerrt und selektiv abgebildet. So habe z. B. jeder Beschäftigte sein
eigenes Bild des Betriebes.
Bruggemann u. a. (15) konkretisieren das eben Gesagte am Beispiel der
Arbeitszufriedenheit. Sie führen in ihrer Typologie der
Arbeitszufriedenheit u. a. die „Resignative Arbeitszufriedenheit“ und
die „Pseudo-Arbeitszufriedenheit“ ein. Im ersten Fall werden die
ursprünglichen Ansprüche nicht als befriedigt betrachtet; das
Anspruchsniveau wird dann jedoch gesenkt und diese Anpassung an die
Realität ermöglicht im Nachhinein Zufriedenheit (17 % bei 180 Befragten,
vgl. hierzu Bruggemann, 16). Bedeutet schon der Verzicht auf diese
Ansprüche eine mögliche Behinderung der Persönlichkeitsentwicklung, so
stellt die sog. „Pseudo-Arbeitszufriedenheit“ vollends ein
psychopathologisches Symptom dar: Wenn aufgrund des Selbstbildes einer
Person und/oder aufgrund sozialer Normen Unzufriedenheit im Beruf zu
starken Konflikten führe, so könnten Verdrängungen und Verzerrungen als
Schutzmechanismen auftreten; Zufriedenheit könne sich dann aus der
verfälschten, d. h. Pseudo-Realität ableiten.
Die Anwendung dieser Erkenntnisse über soziale Wahrnehmung auf die
Arbeitspsychiatrie ist von äußerster Wichtigkeit. Untersuchungen über
arbeitsplatzbedingte psychische Erkrankungen, die sich lediglich auf
Berichte der Kranken ohne Erfassung der objektiven Situation verlassen
(z. B. 1, 8, 24, 28, 54, 78), sind als wenig aussagekräftig anzusehen.
Dasselbe gilt für Versuche, die Belastung durch diese objektiven
Variablen des Arbeitsplatzes unter Außerachtlassung ihrer subjektiven
Wahrnehmung zu bestimmen (z. B. 19, 36, 69, 71).
Als Beispiel für die exakte Untersuchung der subjektiven Qualitäten von
Streß-Faktoren kann die Untersuchung von Lundberg u. a. (51) genannt
werden. Sie fanden, daß Herzinfarkt-Patienten eine Reihe von belastenden
Lebensereignissen signifikant negativer werteten als Kontrollpersonen
(z. B. vermehrte oder verminderte Verantwortung bei der Arbeit, Änderung
des Arbeitsinhalts, Beginn mit einer Nebenbeschäftigung, Eintreten des
Ehegatten in den Ruhestand). Eine Untersuchung von Grant u. a. (37)
konnte dieses Ergebnis von Lundberg u. a. für familiäre Belastungen
bestätigen, nicht jedoch für berufliche Belastungen.
Man kann also interindividuelle Unterschiede in der Bewertung einzelner
Streß-Faktoren messen, und könnte von weiteren Untersuchungen dieser Art
Antwort auf die Frage erwarten, in welchem Ausmaß die später psychisch
Erkrankten die betrieblichen Belastungen tatsächlich
überdurchschnittlich schwer nahmen.
Streß
Mit den Begriffen „Streß“ oder „Streßfaktoren“ werden einzelne Formen
seelischer Belastung bezeichnet, die zu länger anhaltenden
psychosomatischen Veränderungen („Strain“), z. B. Angst, Konflikte,
gedrückte Stimmung, führen, die ihrerseits schließlich in ausgeprägte
psychische Krankheiten übergehen können. Charakteristisch für den
psychischen Streß sind die bereits beschriebenen kognitiven Prozesse der
Bewertung der „objektiven“ Belastung, die dann für das Ausmaß und die
Folgen der psychischen Beanspruchung ausschlaggebend sind. Leider ist
diese kognitive Funktion in den im Folgenden zu besprechenden
theoretischen Modellen nicht genügend oder gar nicht berücksichtigt.
In der arbeitspsychiatrischen Literatur wurden folgende Streßfaktoren
häufiger untersucht: Lärm, Hetzarbeit, Akkordarbeit, Fließbandarbeit,
Monotonie, Schichtarbeit, Umstellungen am Arbeitsplatz, beruflicher
Aufstieg oder Abstieg, Konflikte mit Vorgesetzten, Kollegen oder
Untergebenen, Machtlosigkeit am Arbeitsplatz, Arbeitslosigkeit.
Leider wird teilweise nur die Korrelation dieser Streßfaktoren mit
psychischen Krankheiten untersucht, ohne daß eine theoretische
Verknüpfung der Befunde mit den bekannten aetiologischen Modellen in der
Psychiatrie versucht wird. Solchen Untersuchungen liegt dann
unausgesprochen ein mechanisches Modell zugrunde, wie bei der Prüfung
der Bruchfestigkeit eines Materials (vgl. Ferguson, 28, Neel, 57, Leder,
49).
Eine Grafik soll die Schlichtheit dieses „Modells“ verdeutlichen:
Abb. 1
Die Faktoren S 1-3 wirken zusammen und führen bei Überschreitung der Belastungsgrenze zum „Bruch“.
Der Überlastungsgrenzwert hängt vom Ausmaß der neurotischen Disposition,
der Konstitution, der Anpassungsfähigkeit oder der Widerstandskraft des
Individuums ab; diese Abhängigkeit wird im mechanischen
Streßfaktormodell jedoch nicht weiter reflektiert.
Eine wichtige Erweiterung dieses Modells findet sich in der Arbeit von
Phillips (64), der auf die berühmte Untersuchung von Langner und Michael
(„Life stress and mental health“, 48) aufbaut: dort wurden die
verschiedenen Streßfaktoren summiert und ihr Zusammenhang mit
psychischen Störungen in einzelnen sozialen Schichten untersucht. Bei
gleichem Streß-Zuwachs fand sich in der Unterschicht eine stärkere
Zunahme psychischer Störungen als in der Oberschicht. Zur Erklärung
dieses schichtspezifischen streß-unabhängigen Faktors verwendet Phillips
nun diese Hypothese: Die Belastung durch unglückliche Ereignisse kann
durch positive Gefühle aus anderen Lebensbereichen soweit aufgewogen
werden, daß eine psychische Störung nicht auftritt. Phillips konnte auch
empirisch belegen, daß ein stärkerer Streß nur dort zu mehr Störungen
führte, wo zugleich die negativen Gefühle die positiven überwogen.
Dieses Ergebnis könnte jedoch auch artefiziell entstanden sein, indem
die psychischen Störungen dazu führen, daß mehr negative und weniger
positive Gefühle berichtet und erinnert werden. Grundsätzlich fragwürdig
erscheint die einseitige Ausrichtung der Hypothese von Phillips auf das
Gefühl des Glücks; stattdessen sollten dessen „objektive“ Grundlagen
(stabiler Bekanntenkreis, beruflicher Erfolg o. ä.) erfaßt werden.
Dieser Forderung genügt die Arbeit von Cochrane und Robertson (20). Sie
erhoben die Zahl belastender Lebensereignisse vor einem Suicidversuch
und bei einer Kontrollgruppe. Daneben wurden auch erfreuliche Ereignisse
wie Urlaub, Heirat, Hauskauf, Gehaltserhöhung etc. gezählt; diese waren
bei den Gesunden signifikant häufiger.
Das erweiterte mechanische Streßfaktormodell sieht graphisch so aus:
Abb. 2
In einer angenommenen Belastungssituation werden drei Streßfaktoren S 1 –
S 3 (z. B. uneheliche Geburt, eigene Krankheit und Scheidung) durch
zwei Faktoren positiver Gefühle (P 1, 2) (z. B. Beförderung, Anerkennung
durch Freunde) nicht ausbalanciert, der Netto-Belastungs-Effekt
überschreitet jedoch noch nicht die Grenze der Belastbarkeit.
Eine weitere Ausarbeitung des Modells sich ausbalancierender Faktoren
wendet Jaques (43) an. Er betrachtet Streß als Folge einer
ungleichgewichtigen Kombination folgender je verschieden stark
ausgeprägter Faktoren: Niveau der Arbeitsanforderung (zu leicht,
angemessen, zu schwierig für die Leistungskapazität), organisatorische
Hilfsmittel (unzureichend, ausreichend, überreichlich) und Bezahlung (zu
niedrig, angemessen, zu hoch). Eine überbezahlte Arbeit, die die
Kapazität des Arbeiters übersteigt und für die er ausreichend
Hilfsmittel hat, würde z. B. weniger Streß erzeugen als dieselbe
Konstellation bei Unterbezahlung. Jaques relativiert dieses Modell aber
erheblich, indem er von der psychoanalytischen Doktrin ausgeht, daß „die
individuelle Psychopathologie nur eine unbedeutende und ungewisse
Verbindung mit äußeren Ereignissen hat“ (übers. v. Verf.). So führt er
als abschließende Antwort auf die Frage, warum ein gestreßter Mensch in
der belastenden Situation bleibe, einen unbewußten destruktiven Zwang
ein, der den einzelnen in die streß-induzierende Situation hineinlocke,
eine Streß-Neigung analog zur Unfall-Neigung.
Wie wenig allerdings dieses erweiterte Faktoren-Modell auf eine derart
individuum-zentrierte Betrachtungsweise festlegt, beweist Häfner (38):
wer vermögend sei und der Oberklasse angehöre, habe auch bei mehreren
seelischen Belastungen ein geringeres Morbiditäts-Risiko als ein
Angehöriger der Unterklasse, weil er mehr Chancen des Ausweichens auf
andere Befriedigungs-Möglichkeiten besitze. Häfner verweist also viel
realistischer als Phillips nicht so sehr auf die angenehmen Gefühle als
Gegengewicht des Streß, sondern auf eine gesellschaftlich ungleiche
Verteilung von Vermögen und Macht.
Die Berücksichtigung von sozialen entlastenden Faktoren findet sich auch
bei Esser (26). Wenn z. B. ein Beamter eine Kompetenz abgeben müsse, so
habe er bei einem hohen Grad von Selbständigkeit eher die Möglichkeit,
diese Kollision mit der Organisation zu überstehen, da er noch über
genügend Ressourcen verfüge, um einen Konflikt mit alternativen Mitteln
auszutragen und dem Druck von außen standzuhalten. Andererseits komme es
in Ermangelung solcher adäquater Mittel leichter zur emotionalen
Spannungsentladung.
Lee und Schneider (zit. nach Roman, 67) fanden 1963 bei der Untersuchung
der Arteriosklerosehäufigkeit nicht die erwartete Anhäufung bei
Top-Managern mit einer großen Belastung durch Verantwortung. Sie
diskutieren als eine Erklärung, daß die Betreffenden im Laufe ihrer
Karriere gelernt haben könnten, bei Spannung „Dampf abzulassen“. Dieser
Entlastungsfaktor ist auch an die Macht des Vorgesetzten gebunden und
auf unteren Ebenen geringer ausgeprägt.
Die bisher genannten, vom Streß entlastenden Faktoren basieren im Grunde
auf Erholung, Ersatzbefriedigung oder Stärkung der Motivation und
Leistungsfähigkeit. Diese Bewältigungsformen lassen die von außen
kommenden Anforderungen unverändert und stärken ihnen gegenüber die
Belastbarkeit.
Davon zu unterscheiden sind Bewältigungsformen, die die Streßfaktoren
selbst verringern oder vermeiden. Die Unfähigkeit zur Streß- Abwehr, die
ja oft soziale Konflikte hervorruft, könnte Ursache mancher
Überforderung sein. Darauf deutet ein Befund hin, den Christian, Hahn
und Nüssel (18) in einem Übersichtsreferat über Streß und Herzinfarkt
zitieren: Die Koronarkranken zeigen eine gesteigerte Soziabilität, ein
vermehrtes Streben nach sozialer Billigung und fallen dem Sog der Normen
und Zwänge leichter anheim.
Im konkreten Fall kann andererseits bei einer Belastung durch Hetzarbeit
am Fließband die Beschwerde beim Abteilungsleiter, die Anrufung des
Betriebsrates oder das informal in der Arbeitsgruppe vereinbarte
„Bremsen“ das Arbeitstempo vermindern.
Die sehr aufschlußreiche Studie von Kahn u. a. (44) zeigt demgegenüber
die Bedeutung von dysfunktionalen Anpassungs-Mechanismen auf:
Feindseligkeit oder apathischer Rückzug verstärken bei einem Konflikt
den Streß, denn die Bezugspersonen müssen sich nun „erst recht“
durchsetzen, oder sie meinen, besonders deutlich tadeln zu müssen, „weil
der Betreffende schwer hört“. Diese Formen der Anpassung an Streß kann
man am besten als Rückkoppelung im Modell darstellen.
Abb. 3
Die Unterschiede des mechanischen Streß-Faktor-Modells und dieses
kybernetischen Modells werden durch zwei Graphiken bei Kahn u. a. (44,
S. 230 ff.) über den Zusammenhang von Streß und Strain deutlich:
Abb. 4 und 5

Während in Abb. 4 (Faktormodell) bei Überschreitung des Grenzwertes a
wie bei der mechanischen Verbiegung ein sprunghafter Anstieg der
Beanspruchung (strain) erfolgt, kann in Abb. 5 bei b durch Einsetzen
eines neuen Anpassungsvorganges die Beanspruchung trotz steigender
Belastung (stress) verringert werden. Dieser Anpassungsvorgang versagt
dann bei steigendem Streß erst bei a‘ etc. ...
Der Vorteil des Rückkoppelung-Modells ist besonders seine Erfassung der
circuli vitiosi: Wolfe und Snoeck (83) besprechen sowohl adaptive als
auch maladaptive Kreisprozesse. Für letztere sei ein Beispiel zitiert:
„Stellen wir uns z. B. jemanden vor, dessen Selbstwertgefühl bedroht
wird durch die ständige Unfähigkeit, den Forderungen seiner Umgebung
nachzukommen. Beim Versuch, mit der durch diese Bedrohung entstehenden
Angst fertig zu werden, könnte er gezwungen sein, sich mehr und mehr auf
Abwehr-Mechanismen zu verlassen, die die Wirklichkeit seiner Situation
verzerren. So wird sein Verhalten immer weniger adaptiv“ (übers. v.
Verf.). Die Autoren fanden wesentlich stärker ausgeprägte industrielle
Rollenkonflikte bei introvertierten und bei flexiblen Persönlichkeiten,
und vermuten als Ursache, daß erstere sich bei Konflikten zurückziehen
und die verschlechterte Kommunikation den Konflikt verschlimmert,
während Flexible es sozusagen jedem recht machen wollen und so von allen
Seiten verstärkt bedrängt werden. Die Bedeutung solcher circuli
vitiosi, die im Kern nach Watzlawick u. a. als falsche
Problemlösungsversuche bezeichnet werden können, die ein noch größeres
Problem darstellen, wird von vielen Autoren betont, die sich mit
psychischen Störungen im Arbeitsleben beschäftigen (13, 22, 44, 77).
Als intervenierende Variable zwischen Streß und Strain tauchte bereits
das Selbstwertgefühl auf. In einem individuum-zentrierten Ansatz bezieht
E. F. Müller (56) Selbstaktualisierung, Überlastung und Gesundheit
theoretisch aufeinander. Bei Überlastung muß der einzelne mehr leisten,
als er von sich selbst erwarten würde. Wenn er diesen Anforderungen
nicht genügt und seine Abwehrmöglichkeiten nicht ausreichen (Erhöhung
seiner Ansprüche an sich selbst, Veränderung der Umwelt, Abwertung der
beruflichen Sphäre als unwichtig etc.), kommt es zu einer Verminderung
des Selbstwertgefühls und möglicherweise zu physiologischen Reaktionen
(Angst). Müller interessieren dabei zwei subjektive Bewertungen, wie sie
z. B. zwischen einer Erhöhung des Akkordsatzes und einer
Blutdrucksteigerung beim Betroffenen ablaufen könnten; das verbreitete
Modell einer objektiv feststellbaren oberen Leistungsgrenze, jenseits
derer die Überlastung beginnt, wird dadurch stark relativiert: So wird
diese Grenze mitbestimmt durch die Ansprüche, an denen der Arbeiter
seine Leistung mißt, ehe er mit sich unzufrieden ist. Das Niveau dieser
Ansprüche hängt von der Selbst-Aktualisierungs-Tendenz ab, die je nach
Tätigkeitsfeld verschieden stark ausgeprägt sein kann. Daneben ist die
subjektive und soziale (vgl. dazu Stossberg, 74) Bewertung einer
gegebenenfalls auftauchenden Minderleistung entscheidend. Erst wenn das
Minus als solches definiert und ernst genommen wird, könnte sich eine
Verminderung des Selbstwertgefühls einstellen.
French und Kahn (30) verwenden als zentrale Kategorie ebenfalls die
„Self identity“. Das berufliche Selbstwertgefühl könne durch
Substitution von verschiedenen beruflichen Sub-Identitäten ausbalanciert
werden, wenn eine derselben geschwächt werde; das könne sowohl durch
Überforderung als auch durch Unterforderung eintreten. Mit den Begriffen
„Centrality“ und „Coreness“ werden Maße für die Größe des Beitrages
einzelner Sub-Identitäten zur beruflichen Gesamt-Identität eingeführt.
Für die weitere Diskussion sollte festgehalten werden, daß die Zahl
verschiedener beruflicher Sub-Identitäten wahrscheinlich bei einer
Fließband-Arbeiterin erheblich geringer ist als bei einer
Rechtsanwältin. Das große Verdienst der o. g. Überlegungen ist in dem
Versuch der Quantifizierung solcher Unterschiede zu sehen. Der
empirische Nachweis ihrer Relevanz für die Entstehung von psychischen
Störungen am Arbeitsplatz bleibt abzuwarten.
Konflikttheorien
Diese Darstellung von Theorien über den Zusammenhang von beruflicher
Belastung und psychischer Krankheit soll von individuumzentrierten zu
gesellschaftszentrierten Ansätzen fortschreiten. Eine Mittelstellung in
diesem Spektrum nimmt der Begriff des Rollenkonflikts ein. „Rolle“ ist
nach Dahrendorf (21) der Komplex der an eine Position gebundenen
Erwartungen bezüglich Erscheinungsbild und Verhalten. Widersprüche
zwischen verschiedenen Rollen, die eine Person innehat oder
widersprüchliche Erwartungen bezüglich einer Position werden als
Rollenkonflikt bezeichnet. Verstöße gegen diese Erwartungen ziehen mehr
oder weniger schwere Sanktionen nach sich. Das Gewicht der Erfüllung der
Rollenvorschriften für die psychische Stabilität bzw. umgekehrt das
Ausmaß der Labilisierung durch unerfüllbare, konflikthafte Vorschriften
sei durch die Definition des „Selbst“ von Sullivan (75) illustriert, der
es als die Menge der angstfrei erlebbaren Bewußtseinsinhalte
bezeichnet, die von den wichtigen Bezugspersonen gebilligt werden. Angst
sei immer das Produkt vielfacher, anhaltender Mißfallensäußerungen
seitens der Bezugspersonen. Diese Verknüpfung von Selbstwertgefühl und
Angst mit den Erwartungen und Sanktionen der Bezugspersonen stellt ein
wichtiges Bindeglied zwischen dem makrosozialen Phänomen der Normen und
individuellen psychopathologischen Befunden dar. Wenn man bedenkt, daß
die Erwartungen und Sanktionen der anderen oft gar nicht real, sondern
in der Phantasie oder dem Unbewußten im Spiel sind, ist die Verbindung
zum Überich in der psychoanalytischen Neurosentheorie hergestellt.
Zur näheren Veranschaulichung dieses Ansatzes sollen jetzt die einzelnen Studien besprochen werden, die damit arbeiten:
E. F. Jackson (42) fand einen signifikanten Zusammenhang von
Rollenkonflikten und Symptomen von psychischem Streß in einer großen
Fragebogenstudie, wobei allerdings diese Konflikte aus einer
Status-Inkonsistenz erschlossen wurden, das ist eine Ungleichheit der
Positionen auf den Status-Hierarchien „Beruf“, „Bildung“ und „ethnische
Zugehörigkeit“.
Roman (67) erwähnt in seiner Übersichtsarbeit mehrere Untersuchungen,
die einen Zusammenhang zwischen Rollenkonflikt oder Ungewißheit über die
Rollenvorschriften in der Industrie und Angst oder psychosomatischen
Symptomen herstellen. Er kritisiert daran jedoch, daß solche Symptome
(meist aus Angaben auf Fragebogen erschlossen) nicht so aussagekräftig
seien wie klinisch festgestellte psychiatrische Krankheiten und daß
durch eine Korrelation nicht die Verursachung des Symptoms durch den
industriellen Konflikt bewiesen sei (vgl. dazu Hypothese 1 von Clark auf
S. 7 dieser Arbeit).
Die m. W. umfassendste Arbeit über industrielle Rollenkonflikte stammt
von Kahn et al. (44). Sie haben sowohl die Rollenträger als auch ihre
Bezugspersonen getestet und befragt und so objektive und subjektive Maße
des Rollenkonflikts gewonnen. Sie fanden, daß auch bei vorher emotional
stabilen höheren Angestellten ernste Rollenkonflikte zu Störungen
führten, wie sie sonst als Zeichen eines neurotischen Konflikts
beobachtet werden können. Die Zusammenhänge der Rollenkonflikte mit dem
organisatorischen Wandel, mit Macht und individuellen
Persönlichkeitsfaktoren wurde quantitativ erfaßt.
Als spezielles Gebiet der Rollenkonflikte sind die Diskrepanzen zwischen
erreichtem und erstrebtem Erfolg anzusehen. Der Konflikt liegt hier oft
in den begrenzten Möglichkeiten des Einzelnen angesichts einer relativ
hochgesteckten Erfolgsnorm, die für die ganze Gesellschaft gilt.
Kornhauser (47) schreibt hierzu in seinem weitgefaßten theoretischen
Ansatz, daß die herrschenden kulturellen Normen Erfolg, Reichtum und
interessante autonome Tätigkeiten verlangen. Die von ihm untersuchten
Industriearbeiter zeigten eine Beeinträchtigung ihrer psychischen
Gesundheit, wenn sie an solchen, realistischerweise für sie
unerreichbaren Zielen festhielten.
Dieses Nichtverfügen über akzeptierte Mittel zur Erreichung wichtiger
sozialer Ziele wird in der Soziologie des abweichenden Verhaltens als
Anomie bezeichnet. Anomie wurde ursprünglich von Durkheim der
Zusammenbruch sozialer Normen genannt, die die menschlichen Triebe im
Zaum halten. Heute wird mit dem Begriff auch die ungleichmäßige
Verteilung der Mittel zur Erreichung allgemeiner Ziele in verschiedenen
sozialen Gruppen bezeichnet. Selbstmord, Ehescheidung, Marihuanarauchen,
Kriminalität u. a. werden in der Soziologie des abweichenden Verhaltens
als Ausdruck von Anomie verstanden (R. König, 46a).
Meist wird diese Theorie als Alternative zur Dispositionslehre (s. o.)
heiß umkämpft und darüber die Komplementarität der beiden Ansätze zu
wenig beachtet.
Kleiner und Parker (46) besprechen in einer Übersichtsarbeit eine
größere Zahl von empirischen Studien, die einen Zusammenhang
verschiedener psychischer Störungen mit einer Diskrepanz zwischen
erstrebtem und erreichtem Erfolg nachweisen. Sie bezweifeln allerdings,
daß eine kausale Relation damit schon bewiesen sei. Als
Alternativhypothesen werden eine angstbedingte Fehleinschätzung des
eigenen Erfolges oder das Erstreben von unrealistisch hohen Zielen als
defensives Manöver bei zuvor schon aus anderer Ursache psychisch
Erkrankten diskutiert.
Ohne in diese Diskussion einzutreten stellt Stosberg (74) fest, daß im
Gegensatz zur vorindustriellen Zeit heute mit Mitteln der sozialen
Kontrolle auf Karriere und Aufstieg hingewirkt werde. Die Angst,
demgegenüber zu versagen, stelle eine große psychosoziale Belastung dar,
besonders für Führungskräfte und Ältere. Sie könne bis zum
Zusammenbruch der Persönlichkeit oder psychosomatischen Leiden führen,
besonders beim Hinzutreten weiterer Frustrationen.
Werner (81) betont in seinen sozialpsychologischen Überlegungen zur
Entstehung des Ulcusleidens die Widersprüchlichkeit der Erfolgsnorm in
einem Konkurrenzsystem: „Der Mensch in einem Konkurrenzsystem kann
Sicherheit jedoch nur in dem erstreben, was ihm niemals sicher ist: im
persönlichen Erfolg.“ ... „Nicht der Widerstreit allein, daß da immer
ein Mensch einen anderen ausstechen will und doch umhegt sein möchte wie
ein Kind, erzeugt in der Gesellschaft eine neurotische Spannung,
sondern daß Erfolg und Geborgenheit im Konkurrenzsystem der Arbeitswelt
wechselseitig voneinander abhängen: Um Erfolg zu haben, um sicher wirken
zu können, muß ich aus einer Rückbindung heraus handeln, die vom Erfolg
oder Mißerfolg nicht berührt wird. Umgekehrt aber werden jetzt, wo
alles vom sozialen Erfolg abhängt, auch meine intimsten Bindungen erst
verlässlich, wenn mir der Erfolg treu ist.“ (81, S. 19)
Einen gewichtigen Vorläufer finden die oben genannten Ansätze in der
Lehre Alfred Adlers von der Entstehung psychischer Störungen aus dem
Minderwertigkeitsgefühl, das er neben anthropologischen und organischen
Ursachen auch auf soziale Bedingungen zurückführt (im Folgenden nach der
Darstellung von Dreikurs, 23, zitiert). „Wir leben in einer
Gesellschaft, die auf Wettkampf und Konkurrenz aufgebaut ist.
Dementsprechend verweigern wir dem Kind das Gefühl, so, wie es ist,
etwas wert zu sein. ... Wir behandeln das Kind in dieser Weise, weil wir
uns alle nicht von der Sklavenmentalität befreit haben, die es als
unumgänglich ansieht, den Menschen mit der Peitsche des Versagens und
dessen furchtbaren Folgen anzutreiben.“ (23, S. 34)
Wie aus dem oben Gesagten hervorgeht, behandeln E. F. Jackson (42) und
Roman (67) die genannten Konflikte als quasi unabhängige, eigenständige
ätiologische Faktoren, während andere sie in innigem Zusammenhang mit
makrosozialen Konflikthintergründen, z. B. einer problematischen
sozialen Erfolgs-Norm, darstellen.
Zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen Konflikten in Betrieb und
Gesellschaft und psychischen Störungen wird als theoretisches Modell das
der „Individualisierung sozialer Konflikte“, für die keine kollektive
Austragungsform organisiert ist, herangezogen:
So schreibt Burisch (17) aus betriebssoziologischer Sicht, daß hinter
einer Häufung scheinbar rein individueller Verhaltensweisen, die sich in
hohem Krankenstand, hoher Fluktuations- oder Unfallrate zeigen, ein
sozialer Konflikt steht, der in dieser Weise „umgeleitet“ wird. „Viele
Konflikte, die bei entsprechender staatlicher Ermöglichung manifest
werden können, treten in repressiven Gesellschaften informell oder
umgeleitet auf; umgekehrt scheint längst nicht mehr jeder informelle
oder umgeleitete Konflikt in eine Organisationsform gebracht werden zu
können, da viele Krankheiten, Depressionen und
Kommunikationsschwierigkeiten nicht als Folgen von antagonistischen
Herrschafts- und Arbeitsverhältnissen bewußt sind.“ (17, S. 159)
Kornhauser (47) stellt in diesem Zusammenhang eine Überlegung an, die
wegen ihres heuristischen Wertes etwas ausführlicher übersetzt werden
soll: „So scheinen dieselben beruflichen und sozialen Nachteile, die
niedergedrückte Stimmung und andere Zeichen schlechter psychischer
Gesundheit begünstigen, auch zu gewissen antidemokratischen Gefühlen zu
führen und zur stärkeren Befürwortung von wirtschaftlichen und
politischen Veränderungen im Sinne der Gewerkschaften. Diese Verbindung
läßt die provozierende Frage stellen, ob die sozialpolitische
Reformorientierung notwendigerweise mit einer ungesunden psychischen
Verfassung verbunden ist – oder alternativ gedacht – ob die Verbindung
zufällig ist und nur unter gewissen jetzt vorhandenen kulturellen
Bedingungen vorkommt. Vermutlich könnte sich unter anderen Bedingungen
die Unzufriedenheit der Arbeiter vorwiegend in heftigen sozialen
Protesten und Reformen äußern ohne sich gleichzeitig in individuelle
Frustration und negatives Selbstwertgefühl zu verwandeln.“ (47, S. 267)
Als weitere Bestätigung für diese Theorie der „Individualisierung“ sozialer Konflikte seien noch drei Autoren zitiert:
Blau (9) erwähnt die Stabilisierung von Organisationen auf Kosten des
Individuums: „Der psychische Konflikt, den Individuen erfahren, die
unter entgegengesetztem Druck von Organisationen stehen, denen sie
angehören und die zu einer Frage entgegengesetzte Standpunkte vertreten,
lenkt sozusagen einen Teil des Konflikts zwischen den zwei Seiten um
und macht ihn weniger intensiv“ (9, S. 306, Übers. v. Verf.).
Noch deutlicher äußert Hondrich (40) diesen Gedanken am Beispiel des
Rollenkonflikts des Arbeitsdirektors: „Er ist durch seine Rolle
einerseits den Interessen der Arbeitnehmer, andererseits den übrigen am
Unternehmen interessierten Gruppen verpflichtet. ... Interessenkonflikte
innerhalb ein und derselben Person stellen den wichtigsten
Integrationsmechanismus hochkomplexer Gesellschaften dar.“ (40, S. 161)
Eine ähnliche Konstellation kennzeichnet die Rolle des Meisters im
Großbetrieb. Er soll gleichzeitig die Interessen der Arbeiter gegenüber
der Betriebsleitung und die der Betriebsleitung gegenüber den Arbeitern
durchsetzen. Wenn er nicht von vornherein die Partei der Betriebsleitung
ergreift, kann er erhebliche psychische Konfliktspannungen erfahren.
Katz (45) schreibt über die Funktion von irrationalen, persönlich bedingten Feindseligkeiten und Konflikten im Unternehmen:
„Das Vorhandensein dieser persönlichen Feindschaften verdunkelt und
mildert die realen Konfliktgrundlagen. Wenn die irrelevanten
Feindschaften beseitigt würden, könnten jene Themen zu unvermittelt ins
Licht rücken und antagonistische Wertsysteme würden sich allzu
unverhüllt gegenüberstehen. So trugen zum Beispiel hierzulande die
Feindschaften zwischen verschiedenen Nationalitätengruppen der Arbeiter,
z. B. den Iren und Italienern, zur Verhinderung eines
Klassenbewußtseins bei, das die gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen
gegenüber den Arbeitgebern reflektierte.“ (45, S. 107, Übers. v. Verf.)
Interaktionstheorien
Unter dieser Überschrift sollen kurz die Etikettierungstheorie
psychischer Krankheiten (vgl. z. B. Becker, 5) sowie Ansätze besprochen
werden, die psychopathologische Symptome nicht als Ausdruck einer
krankhaften Eigenschaft, sondern als Korrelat dysfunktionaler
zwischenmenschlicher „Spielregeln“ verstehen (vgl. z. B. Watzlawick u.
a., 79). Leider arbeiten nur wenige Forscher auf dem Gebiet der
„occupational psychiatry“ mit diesem Ansatz. Das dürfte nicht nur an
seiner Neuigkeit liegen, sondern auch an der methodischen Schwierigkeit,
daß zu seiner empirischen Prüfung nicht nur ein Patient, sondern die
Interaktion zwischen ihm, seinen Kollegen, Vorgesetzten und Untergebenen
direkt und ins einzelne gehend beobachtet werden müßte.
Becker (5, S. 160 ff.) weist ausdrücklich das häufige Mißverständnis der
Etikettierungstheorie als einer umfassenden ätiologischen Theorie
abweichenden Verhaltens zurück: „Es wäre lächerlich zu behaupten, daß
Räuber andere Leute deswegen überfallen, weil irgend jemand sie als
Räuber bezeichnet hat, oder daß alles, was ein Homosexueller tut, aus
der Tatsache resultiert, daß jemand ihn homosexuell genannt hat.
Nichtsdestoweniger bestand einer der wichtigsten Beiträge dieser Methode
darin, unsere Aufmerksamkeit auf die Art und Weise zu lenken, wie das
Bezeichnen den Täter in Umstände versetzt, die es ihm erschweren, die
normalen Gewohnheiten des alltäglichen Lebens fortzusetzen, und ihn
damit zu ‚anomalen‘ Handlungen veranlassen“ (5, S. 160). Insofern die
Arbeitswelt sehr stark durch eine hierarchische Machtstruktur
gekennzeichnet ist, könnte für die ‚occupational psychiatry‘ der
Blickwinkel der Etikettierungstheorie wichtige Erkenntnisse liefern. Sie
widmet nämlich „besondere Aufmerksamkeit den Differenzen der
definitorischen Macht, der Art und Weise, wie eine Gruppe die Macht
erlangt und nutzt, zu bestimmen, wie andere Gruppen gesehen, verstanden
und behandelt werden. Eliten, herrschende Klassen, Bosse, Erwachsene,
Männer, Angehörige der weißen Rasse – übergeordnete Gruppen allgemein –
erhalten sich ihre Macht sowohl durch die Kontrolle der Art und Weise,
wie Menschen die Welt, ihre Komponenten und Möglichkeiten definieren,
als auch durch den Gebrauch primitiverer Formen der Kontrolle.“ (5, S.
184)
Auch Siegrist (70, S. 82) erörtert die Etikettierungstheorie
ausführlich: „Familie und Nachbarschaft, Arbeitskollegen und andere
Bezugsgruppen üben bereits Kontrollfunktionen aus, indem sie auffällige
Verhaltensweisen ausfindig machen und als sozial abweichende Akte
kennzeichnen. Die Krankheitserfahrung des psychisch Gestörten vollzieht
sich somit reaktiv, in der veränderten Art und Weise, wie andere sich
aufgrund ihrer neuartigen Erfahrungen im Umgang mit ihm verhalten. Die
Definition ‚primärer Abweichungen‘ ... durch die Bezugsgruppen des
potentiellen Kranken ist ein außerordentlich subtiles und folgenreiches
soziales Interaktionsgeschehen, dessen Stabilisierung zu einer
abweichenden Karriere mit allen Folgen der Identitätsumbildung führen
kann.“
Lemert (50, Kap 15) untersuchte diesen Prozeß des Ausschließens der
Abweichenden retrospektiv bei Paranoiden am Arbeitsplatz. Nach einem
schweren beruflichen oder familiären Statusverlust sollen sich
absonderliche Verhaltensweisen in Bezug auf Statusangelegenheiten
bemerkbar gemacht haben: sie seien pedantisch, unloyal und aggressiv
gegen Schwache geworden, hätten die informale Gruppenstruktur nicht
anerkannt, sich Privilegien angemaßt und mit formalen Mitteln gedroht.
Dies sei von den Kollegen lange als Sonderlingswesen toleriert worden,
plötzlich aber als gefährlich und abnorm umdefiniert worden. Daraufhin
sei das Verhalten der Kollegen den späteren Paranoiden gegenüber unecht
geworden, sie seien dem Kontakt ausgewichen, hätten sie bevormundet und
verspöttelt und kein feed-back für ihr Verhalten mehr gegeben. Da sich
ihre Auffälligkeiten dadurch verstärkten, hätte sich ein Teufelskreis
von tatsächlicher Konspiration der Arbeitskollegen gegen sie (um sie zu
beobachten und aus der Dienststelle zu entfernen) und der wahnhaften
Übersteigerung und Verallgemeinerung dieser Vorgänge in der Wahrnehmung
der Kranken ergeben. Leider beschreibt Lemert nicht, ob er sich
vergewissert hat, daß nicht schon unter dem Sonderlingswesen ein Wahn
verborgen wurde; er beschreibt die Wahnsymptomatik während der
Konspiration der Kollegen so wenig, daß ein Urteil über ihre
Verständlichkeit als reine Erlebnisreaktion – wie er das annimmt – nicht
möglich ist.
Jaques (43) berichtet u. a. über Untergebene, die ihrer Aufgabe nicht
gewachsen sind. Nach seinen Erfahrungen wird dieses Problem am
häufigsten dadurch gelöst, daß man den Streß sich solange anhäufen läßt,
bis Krankheitszeichen und dann ein „Zusammenbruch“ folgen – dann erst
kann die Sache bereinigt werden. Er sieht in diesem Vorgehen eine
unbewußte destruktive Allianz von Vorgesetzten und Untergebenem wirken,
erwähnt aber auch, daß besonders in den höheren Rängen die Ablösung
eines ungeeigneten Untergebenen eine der schwierigsten Aufgaben eines
Managers sei. Eben diesen Vorgang stellt Oldendorf (59, S. 106) nicht
als irrationales individuelles Verhalten dar, sondern als einen Konflikt
verschiedener Ziele der Organisation, der zu irrationalen
Komplikationen führt. (Die widerstreitenden Ziele sind die Stabilität
des Statussystems und die größtmögliche Effektivität des jeweiligen
Positionsinhabers.) Die Versetzung eines Ungeeigneten auf eine
niedrigere Position sei aus psychologischen Gründen unmöglich; der
Status müsse nämlich eine gewisse Stabilität besitzen, um erstrebenswert
zu bleiben, Instabilität des Status könne zur Folge haben, daß
Angestellte deswegen nichtmehr nach oben strebten, weil sie bei einer
möglichen späteren Absetzung ihr Gesicht zu verlieren fürchteten. Da für
eine Entlassung des Ungeeigneten die o. g. Gründe erst recht gelten und
der Ruf des Betriebes, der ihn in eine verantwortliche Position
gestellt hat, dadurch geschädigt werden könnte, bleiben folgende
Möglichkeiten: Versetzung auf derselben Statusebene, Beförderung in eine
ungefährliche Position oder Aushöhlung der alten Position. Wie wir bei
Jaques (43) sahen, muß in diesen Katalog als letzte Möglichkeit noch
eine Krankheit aufgenommen werden.
Weisser (80) ist diese Möglichkeit durchaus bekannt – er deutet sie
anhand der Krankengeschichte eines Büroleiters jedoch als individuelles
Fehlverhalten eines „konstitutionell belastungslabilen“ Ehrgeizigen:
„man muß häufig die Ansicht gewinnen, daß ein Herzinfarkt erwünscht ist
als das ‚Non-plus-ultra‘ der Statussymbole. Sollte ein Herzinfarkt
überlebt werden, ist es allerdings leichter, einen ‚Arbeitsplatzwechsel‘
vorzunehmen, denn jetzt ist der Grund nicht mehr der gefürchtete
geistige Bankrott, sondern eine Krankheit, die ‚der Bedeutung der
Position entspricht‘.“ (80, S. 267)
Diese Verwicklungen bei der Ablösung eines Ungeeigneten aus höherer
Stellung sind in unserem Zusammenhang interessant, weil der
institutionell schwer lösbare Konflikt seine Lösung u. U. leichter in
der Krankheit des Einzelnen findet.
Jaques und Weisser etikettieren diese Einzelnen als irrational ehrgeizig
oder unbewußt destruktiv und ersparen sich mit dieser Wertung einer
Teilursache des komplexen Geschehens die wesentlich peinlichere
Reflexion einer haarsträubenden ‚Spielregel‘ der Organisation.
Zum Schluß dieses Abschnitts sei noch auf die Anwendung der ‚Double
bind-Theorie‘ (vgl. z. B. Watzlawick u. a., 79) auf die Interaktion von
Vorgesetztem und Untergebenen hingewiesen. Peter (62): Von manchen
Vorgesetzten gingen paradoxe Aufforderungen aus, die der Untergebene nur
falsch ausführen könne, und deshalb in der Zwickmühle säße und
‚verrückt gemacht‘ werden könne, weil er ja aus seiner Machtlosigkeit
heraus den Vorgesetzten nicht direkt in Frage stellen könne.
Aetiologisch nimmt Peter eine Komplementarität an von sozial
tabuisierter, unbewußter Aggressionsneigung seitens des Vorgesetzten und
Abhängigkeitswünschten und Minderwertigkeitsgefühlen auf der Seite der
Untergebenen. Dieser Ansatz ist durch die Verknüpfung von
interaktionalen, psychodynamischen und soziostrukturellen Momenten
beispielhaft.
Makrosoziale Theorieansätze
1. SOZIOÖKONOMISCHER WANDEL
Rasche Veränderungen der Produktionstechniken der
innerbetrieblichen, der familiären und der anderen sozialen Beziehungen
werden als ein Charakteristikum der Gegenwart angesehen. Im Folgenden
sollen einige Versuche besprochen werden, diesen Wandel auf seinen
Beitrag zur Entstehung von psychischen Störungen am Arbeitsplatz hin zu
untersuchen.
Kahn u. a. (44, S. 76) betrachten betriebliches Größenwachstum,
technische Neuerungen und Personalumsetzungen unter dem Aspekt der
dadurch verursachten Rollenunklarheit. In manchen Firmen sei es infolge
der genannten Veränderungen selten, daß ein Beschäftigter und alle seine
Rollensender als intaktes Team für mehr als einige Wochen oder Monate
zusammen bleiben. Die ersten Wochen nach einer Umsetzung seien mit
Unsicherheit belastet, bis die neue Rolle gelernt sei. Insofern der
‚Neue‘ seine Rolle anders als sein Vorgänger ausfülle und an seine
Mitarbeiter andere Erwartungen hege, erzeuge er auch für diese
Unsicherheit. Als empirischer Beleg für die Häufigkeit dieser Belastung
seien Wolfe und Snoeck (83) zitiert, die bei 75 % der Neuankömmlinge in
einer Firma, aber nur bei 35 % der ihr über zehn Jahre Angehörenden
starke Rollenkonflikte feststellten.
Esser (26) nennt als Folgen des Wandels einer Organisation die
Verunsicherung durch drohenden Arbeitsplatzverlust, die Frustration des
Wunsches nach Geborgenheit durch Auflösung und Umgruppierung formaler
und informaler Gruppen, die Gefahr des Verlusts von Ansehen und Macht,
und die Gefahr des Verlusts von technischer Kompetenz durch Veränderung
der Aufgabenstruktur.
Sivadon und Veil (72) arbeiten mit dem Begriff zentralnervöser
Funktionskreise, die der Anpassung an Umweltbelastungen um so stabiler
dienen könnten, je älter und geübter sie stammesgeschichtlich und in der
Entwicklungsgeschichte des Einzelnen seien. Da die Entwicklung der
Technik dem Nervensystem keine Zeit zur Nachreife gelassen habe, werden
die Arbeiter heute zur Verwendung fragiler nervöser Strukturen
gezwungen. Darin liege ein überindividueller Grund für die Entstehung
der nervösen Überarbeitung. Die Gefahr einer solchen Überforderung sehen
Sivadon und Veil z. B. bei einer Unüberschaubarkeit der Arbeitsgruppe,
des Arbeitsraums oder des Arbeitsvorgangs, bei Wechselschicht,
Hetzarbeit oder konfliktbelasteten Rollen wie der des Meisters.
Zum Beleg für die Vielfalt von psychischen Belastungen, die durch den
sozioökonomischen Wandel im Arbeitsleben entstehen können, sei noch
summarisch auf die folgenden Themen verwiesen: zunehmende
Berufstätigkeit der Frauen führt zu ihrer ‚Doppelbelastung‘ mit
psychischen Störungen im Gefolge (49, 66, 74, 85, 86); psychische
Störungen bei Arbeitslosigkeit (13, 47, 51, 73); psychische Belastungen
durch einschneidende ‚Rationalisierung‘ und Modernisierung des
Arbeitsplatzes (27, 28, 51, 52, 67, 69, 76, 86).
Wie ein Blick auf die genannten Arbeiten zeigt, ist der soziale Wandel
als Ursache psychischer Störungen noch unzureichend erforscht und wird
empirisch nur faßbar, wenn er z. B. als „Arbeitslosigkeit“,
„Doppelbelastung der Frau“ oder „Rationalisierung“ operationalisiert
wird. Andererseits kann die Zusammenfassung dieser Indikatoren als
„Sozialer Wandel“ nur einen Erkenntnisgewinn im Interesse der Patienten
bedeuten, sofern der Wandel der Gesellschaft nicht als
quasi-biologisches Gesetz, sondern als geschichtlicher Prozeß begriffen
wird, in den die darin Benachteiligten gestaltend eingreifen können.
(Vgl. dazu die Kritik C. W. Mills‘ (55) an der Gleichsetzung der
Gesellschaft mit einem biologischen Organismus in der traditionellen
amerikanischen Sozialpsychiatrie.) Mit dieser Perspektive würde zugleich
die präventivmedizinische Konsequenz aus den o. g. Befunden als
sozialpolitische Forderung nach Gleichberechtigung der Frau, Recht auf
Arbeit oder Rationalisierungsschutz erkennbar werden.
2. HERRSCHAFT
Die Anregung, betriebliche Herrschaftsverhältnisse als eigenständige
Größe bei der Entstehung psychischer Störungen anzusehen, verdanke ich
dem Aufsatz von Beelze (6). Er schildert aus gewerkschaftlicher
Erfahrung eine Fülle von Beispielen entwürdigender Behandlung durch
machtvolle Vorgesetzte. Die industriesoziologischen Abhandlungen und
Lehrbücher von Bendix (7), Burisch (17), Oldendorf (59) oder Stagner
(73) seien als weiterer Beleg für die Bedeutung der hierarchischen
Betriebsstruktur, für die Universalität und das Gewicht von Kontrolle
und Abhängigkeit der Beschäftigten genannt. Doch nun zu den einzelnen
Autoren, die Erklärungen für den Zusammenhang von Herrschaft im Betrieb
und psychischen Störungen versucht haben.
Ammon (2) geht in seinem Aufsatz über Herrschaft und Aggression zunächst
auf die überragende Bedeutung der von der Mutter dem Kind verweigerten
Liebe für die Entstehung von Aggressionen ein. Er verknüpft aber die
familiären Sozialisationsbedingungen mit makrosozialen Gegebenheiten,
indem er auf die Väter verweist, die ihre beruflichen Enttäuschungen an
der Familie abreagieren. Die Häufigkeit von Kindesmißhandlung erklärt er
(mit einem Zitat von Baran 1966) durch die „Verstümmelung seiner Natur
unter die Erfordernisse des Unternehmens, die tödliche Verletzung seiner
Spontaneität und seine Verwandlung in einen selbstsüchtigen,
berechnenden und umsichtigen Teilnehmer am Produktionsprozeß“.
Der Gedanke einer Entstehung psychischer Störungen durch das
berufsbedingte Fehlverhalten der Eltern bei der Kindererziehung ist aus
der psychiatrischen Alltagserfahrung geläufig: Viele Eltern späterer
Patienten hatten wenig Zeit für die Kinder, waren müde und reizbar,
reagierten berufsbedingte Aggressionen in der Familie ab oder wollten
eigene Aufstiegswünsche durch Leistungen des Kindes überkompensieren.
Erstaunlicherweise spielt dieser sozialisationstheoretische Ansatz in
der „occupational psychiatry“ fast keine Rolle – ganz im Gegensatz zu
seinem Gewicht in der übrigen Psychiatrie. Im Zusammenhang des Themas
der betrieblichen Herrschaftsverhältnisse kann lediglich noch die
Untersuchung von Pearlin und Kohn (61) genannt werden. Sie stellten
einen Zusammenhang der elterlichen Erziehungsideale „Selbstkontrolle“
und „Gehorsam“ mit der beruflichen Erfahrung der Eltern von
Möglichkeiten zur Selbstkontrolle oder von der Unterwerfung unter fremde
Aufsicht fest.
Die Individualpsychologie baut ihre umfassende Theorie psychischer
Störungen auf die Lehre von den Minderwertigkeitsgefühlen. Diese würden
von unserer Gesellschaftsordnung verstärkt, indem das Konkurrenzprinzip
das individuelle Machtstreben über den Gemeinsinn stelle. Insofern
spricht Dreikurs (23) von einer „neurotischen Gesellschaftsordnung“.
Diese wichtige Begründung eines Teilmoments der Entstehung psychischer
Störungen in einem Prinzip der Wirtschaftsordnung wird aber überwiegend
in der Analyse der Sozialisationsbedingungen der Kranken, weniger in der
aktuellen beruflichen Situation gefunden.
Kahn u. a. (44) untersuchen in ihrem komplexen Modell unter anderem auch
die Abhängigkeit des Rollenkonflikts von der Stärke der Macht des
„Rollensenders“ über den „Empfänger“. War der Rollensender wesentlich
mächtiger als der Empfänger, so resultierten bei diesem im Konfliktfall
erheblich ernstere Spannungen, weil er den Forderungen dieses Senders
nicht ausweichen konnte. (Vgl. dazu auch Peter, 62, weiter oben.) Wenn
der Rollensender auf das Verhalten seines schwächeren Gegenübers selber
erheblich angewiesen war, fühlte sich dieser oft hoffnungslos, wertlos,
mit der Arbeit unzufrieden und zog sich in ein resigniertes
Disengagement von seinen Mitarbeitern zurück.
Abholz (1) fand bei seiner kontrollierten Befragung von Schizophrenen
über ihre frühere Arbeitssituation u. a. folgende Angaben signifikant
gehäuft: „Das Arbeitstempo kann nicht selbst bestimmt werden“, es gibt
keine „Möglichkeiten, während der Arbeit Pausen zu machen“ (1, S. 32
ff), resignierte Reaktionen auf Anordnungen, die ohne vorherige
Befragung der Betroffenen erfolgten, Unfähigkeit zu Widerspruch bei
anscheinend falschen Anordnungen des Vorgesetzten. Signifikant weniger
Schizophrene glaubten, sich bei ungerechter Behandlung im Betrieb wehren
zu können. Abholz deutet diese Befunde einmal als Krankheitsfolge,
zugleich aber als Indiz für stärkere Belastungen, denen die Patienten
ausgesetzt waren, weil sie sich häufiger als die Kontrollgruppe in
untergeordneter Stellung befanden. Diese schichtspezifischen
Mehrbelastungen lassen sich als Folgen der weisungsgebundenen und
taktgebundenen Arbeit, also der geringen Macht der Befragten
interpretieren.
Wie stark solche geringe Autonomie am Arbeitsplatz beim Arbeiter Gefühle
von Monotonie, Wertlosigkeit, Angst und Müdigkeit erzeugt, dürfte durch
die jüngsten empirischen Arbeiten von Gardell (32, 33, 34) als erwiesen
gelten. (vgl. weiter unten S. 23)
Mann und Williams (52) wiesen deutliche psychische Streßerscheinungen
bei der Umstellung einer Großfirma auf EDV nach. In einem ganzen Bündel
anderer Automatisierungsfolgen fanden sie auch eine Zunahme der
Kontrollierbarkeit der im EDV-Bereich Beschäftigten und ihre vermehrte
Abhängigkeit von den Kollegen.
Paykel (60) fand bei der Analyse belastender Lebensereignisse im Vorfeld
von Depressionen und Suicidversuchen, daß hier signifikant häufiger als
bei Kontrollpersonen Ereignisse auftraten, deren Eintritt die später
Erkrankten nicht kontrollieren konnten.
Zander und Quinn (84) beschreiben in ihrer Übersichtsarbeit als
gemeinsamen Nenner aller Umgebungseinflüsse auf die psychische
Verfassung die Chance eines Arbeiters, sein eigenes Schicksal
beherrschen zu können (control) und ein günstiges Ergebnis seiner
Anstrengungen erwarten zu dürfen. Unsichere oder repressive
Arbeitsbedingungen, die die Möglichkeit einer solchen unabhängigen
Kontrolle einschränkten, führten zu Verstimmungen.
In einer hypothetischen Verbindung von Lerntheorie und politischer
Ökonomie versucht Frese (31), die arbeitsplatzbedingten psychischen
Störungen als Folge von aversiver Stimulierung unter Bedingungen
eingeschränkter Kontrolle theoretisch zu begreifen. Er faßt einerseits
eine Fülle human- und tierexperimenteller Studien zusammen, in denen
wechselnd vermeidbare oder vorhersagbare Elektroschocks „Neurosen“,
„Depressionen“ etc. erzeugten. Andererseits findet er die Variablen
(aversive Stimulierung und eingeschränkte Kontrolle) in der
Politökonomie wieder – als Machtlosigkeit des Arbeiters und als Streß
der Arbeit. So problematisch diese Analogiebildung erscheint, weil sie
unvermittelt von ganz künstlich „reinen“ Laborbedingungen in die extrem
komplexere soziale Wirklichkeit springt – so heuristisch wertvoll
erscheint diese Verknüpfung einer Theorie von der Entstehung psychischer
Krankheiten mit einer Theorie, die belastende Arbeitsbedingungen im
Zusammenhang der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung erklärt.
Felton (27) erwähnt einige Untersuchungen aus den USA, denen zufolge die
Streßwirkung von Arbeitsplatzumstellungen erheblich gemildert werden,
wenn sie Betroffenen ein Mitspracherecht haben – sich also nicht der
Veränderung ohnmächtig unterworfen fühlen müssen.
Ein weiterer Hinweis darauf, daß die psychische Belastung durch
Umgebungseinflüsse davon abhängt, ob man sich ihnen passiv ausgeliefert
fühlt oder nicht, findet sich in der Arbeit von Glass und Singer (35)
über psychische Lärmschäden.
In eine ähnliche Richtung deutet eine theoretische Analyse von Haggstrom
(39). Zur Erklärung der psychischen Auffälligkeiten der Armen benutzt
er einen komplexen interaktionistisch und strukturell orientierten
Ansatz. „Die Situation der Abhängigkeit und Machtlosigkeit infolge
interner Persönlichkeitscharakteristika und infolge der sozialen
Position führt zu Apathie, Hoffnungslosigkeit, Überzeugung von der
eigenen Unfähigkeit und Versagen beim Erlernen neuer Fähigkeiten etc.“
(39, S. 215, Übers. v. Verf.) Eine entscheidende Rolle komme bei dieser
Entwicklung nicht dem Mangel an Geld, sondern der Machtlosigkeit zu,
eingebettet in eine gesamtgesellschaftliche Dynamik, die die Armen immer
ärmer und die Reichen immer reicher werden läßt. Haggstrom berichtet
von einzelnen Feldprojekten, die eine allmähliche Verbesserung der
psychischen Verfassung der Armen erreichten, sobald diese sich
organisierten und aus eigener Macht Aktionen zur Verbesserung ihrer Lage
unternahmen.
Angesichts einer Fülle von epidemiologischen Beweisen für die Häufung
psychischer Störungen bei den Armen sind weitergehende Untersuchungen
über die Rolle der Macht bei der Entstehung psychischer Störungen
dringend geboten. Dabei sollte dann der beruflichen Lage, dem
entscheidenden Hintergrund von Armut und Machtlosigkeit, größere
Aufmerksamkeit gewidmet werden. In den meisten epidemiologischen
Arbeiten werden die beruflichen Streßfaktoren mit der pauschalen
Erhebungskategorie „Unterschichtszugehörigkeit“ nämlich gar nicht
erfaßt.
3. ARBEITSTEILUNG
Ausgehend von einem anthropologischen Ideal der Arbeit als Mittel der
Selbstverwirklichung von kooperierenden Individuen im gemeinsamen Werk
ist bei zunehmender Teilung der Arbeit bis in kleine, sich ständig
wiederholende Bruchstücke eine Störung der Selbstverwirklichung zu
erwarten. Ein bewußtes Leiden an solcher Arbeit wird auftreten, wenn das
o. g. Ideal bewußt ist. Die dann auftretenden Konflikte sind teilweise
schon unter dem Stichwort „Anomie“ abgehandelt. Im Anomiebegriff steckt
aber die Auffassung, die Arbeit könne noch so stumpfsinnig sein, wenn
nur die allgemeine Norm sie gutheiße, nehme der Einzelne keinen Schaden
dadurch. Unter Abstraktion von den Fragen der sozialen Norm und der
individuellen Erwartung geht es im Folgenden um den Zusammenhang von
psychischen Störungen mit den Selbstentfaltungsmöglichkeiten, die der
objektive Arbeitsinhalt bietet. Zugleich geht es dabei um Einflüsse der
Sozialstruktur, weil die höchst ungleiche Verteilung der
Selbstentfaltungsmöglichkeiten in den Arbeitsinhalten der verschiedenen
Gesellschaftsklassen sich aus deren Bildungschancen und Verfügung über
die Produktionsmittel ergibt.
Gardells (34) zentrale Hypothese ist, „daß Art und Inhalt der Arbeit die
Befriedigung grundlegender menschlicher Bedürfnisse am Arbeitsplatz
beeinflussen. Der psychologisch relevante Arbeitsinhalt soll zwei
Hauptaspekte bieten:
1. Der Ermessensspielraum des Einzelnen bei der Entscheidung über
Arbeitsplan, Arbeitsmethode und –Geschwindigkeit sowie über die soziale
Interaktion bei der Arbeit.“ (vgl. dazu das Kapitel ‚Herrschaft‘ weiter
oben)
„2. Das Niveau der Fertigkeiten, das die Aufgabe dem Einzelnen
abverlangt: Seine Kenntnisse, Initiative, Selbständigkeit und
Kontaktfreudigkeit – kurz alle kreativen Talente, die man zu einer
zufriedenstellenden Arbeit braucht.“ (34, S. 2, Übers. v. Verf.)
Gardell stellte nun in umfangreichen Feldstudien fest, daß bei geringer
Ausprägung dieser beiden Aspekte des Arbeitsinhalts die betroffenen
Arbeiter mit ihrem Leben weniger zufrieden waren, weniger Selbstachtung
und mehr Ängstlichkeit zeigten. (vgl. auch 32, 33)
Bartenwerfer (4) erwähnt zwar die Unfallgefahr bei Monotoniezuständen
und die Ermüdung, die vorzeitig durch das Ankämpfen gegen die Monotonie
entsteht. Weitere psychopathologische Symptome als Folge solcher
Tätigkeiten führt er aber aus Mangel an Langzeitbeobachtungen nicht an.
Lediglich bei der psychischen Sättigung (= Langeweile: im Unterschied
zur Monotonie erfolge kein Absinken der unspezifischen zentralen
Aktiviertheit, sondern ein Zustand gesteigerter Anspannung und
Nervosität) berichtet er über schwere Kopf- und Rückenschmerzen und
„quasi-hysterische“ Erscheinungen als psychogene Folgezustände.
Blauner (10) untersuchte das Problem der monotonen Fließbandarbeit in
der Automobilindustrie. Er stellt fest, daß es bei monotoner Arbeit ein
Gefühl gebe, sich selbst zu verlieren und anonym zu werden, das
wahrscheinlich mehr psychische Störungen hervorrufe als die Langeweile
oder die Anspannung bei der Bandarbeit. Um diese Ausführungen
anschaulicher zu machen, zitiert er aus dem Interview mit einem
Arbeiter: „Nichts entmutigt einen mehr, als wenn man eine Tonne mit 10
000 Bolzen neben sich hat und die alle aufbraucht. Dann kriegt man eine
Tonne mit 10 000 neuen Bolzen und man weiß, jeder von den 10 000 Bolzen
muß rausgeholt werden und an genau dieselbe Stelle gesteckt werden wie
die vorigen 10 000 Bolzen.“ (10, S. 431, Übers. v. Verf.)
Kornhauser (47) fand als wichtigste Voraussetzung psychischer Gesundheit
die von der Arbeit her gebotene – oder versagte – Möglichkeit der
Selbstentfaltung mit den daher rührenden Gefühlen von Interesse, Erfolg
und Selbstvertrauen. Fehlte diese Möglichkeit, sich in der Arbeit zu
verwirklichen, so ergaben sich bei den von ihm interviewten 407
Automobilarbeitern signifikant häufiger Zeichen von Angst,
Feindseligkeit, vermindertem Selbstvertrauen, sozialer Isolierung und
von Pessimismus.
Rosenstock (zit. n. Wiesenhütter, 82) hatte die in diesem Kapitel
behandelte Hypothese bereits 1922 formuliert: „Die Seele des modernen
Menschen verdorrt heute, weil sie nicht genügend von ihrer Arbeit her
gestaltet ist“ (82, S. 773). Mehr als 50 Jahre später ist dieser Satz
zwar plausibler geworden, für die Entstehungsweise psychiatrischer
Krankheiten ist seine Gültigkeit allerdings so gut wie unbewiesen. Denn
die ausgezeichneten Arbeiten von Gardell und Kornhauser belegen zwar die
Häufung von abnormen Gefühlen und Verhaltensweisen bei Arbeitsfähigen.
Sie geben aber nicht Auskunft auf die Frage, bei wievielen Arbeitern
sich diese arbeitsbedingten Symptome derart steigern, daß von
psychiatrischen Krankheiten gesprochen werden muß.
Schluß
Mit dieser Arbeit sollte ein Überblick über theoretische Vorstellungen
vom Zusammenhang psychischer Störungen mit Arbeitsbedingungen versucht
werden. Der Überblick könnte einen praktischen Nutzen für die Förderung
des Arbeitsschutzes bringen, wenn er zur Durchführung theoretisch
umfassender fundierter empirischer Arbeiten anregt. Denn zusammenfassend
muß leider die theoretische Untermauerung der meisten hier besprochenen
Arbeiten als unzureichend charakterisiert werden, weil jeweils
entscheidende Variable, Methoden oder Fragestellungen nicht in den
Untersuchungsplan einbezogen wurden. Wenn solche Forschungsergebnisse
beispielsweise Eingang in die Berufskrankheitenliste oder die
betriebliche Mitbestimmungspraxis finden sollen, müssen sie als
„gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse“ gelten. Welche Anforderungen
sind vom Standpunkt dieses theoretischen Überblicks aus für die
Wissenschaftlichkeit von Untersuchungen zur Sozialpsychiatrie der Arbeit
wichtig?
- Die Hypothesen sollten explizit aus einer Theorie abgeleitet sein,
die Aussagen über die Entstehung psychischer Störungen mit Aussagen über
sozioökonomische und sozialpsychologische Gesetze der Arbeit verbindet.
- Der Forschungsansatz sollte folgende Größen miterfassen:
die individuelle Disposition,
sowohl objektive als auch subjektive Maße für betriebliche Belastungen,
das Gesamt der belastenden und entlastenden Faktoren (vgl. S. 8 ff) besonders:
individuelle und kollektive Adaptationsmechanismen, Interaktionsregeln,
Rollen- und Statuskonflikte, den Wandel der Arbeitsbedingungen, das
Verhältnis von Autonomie und Ohnmacht am Arbeitsplatz und die
Möglichkeit, sich in der Arbeit zu verwirklichen.
- Die Studien sollten Kontrollgruppen verwenden und die Ergebnisse
statistisch gegen Zufallseffekte und die Wirkung außerberuflicher
Belastungen absichern.
Doch auch wenn eine Arbeit durch umfassende theoretische Untermauerung
und methodisch sauberes Vorgehen mit Kontrolle möglichst vieler
Variabler herausragt (vgl. z. B. 34, 44, 47), steht die Anerkennung
ihrer Ergebnisse in der arbeitsmedizinischen Fachwelt noch vor
erheblichen Schwierigkeiten.
Feststellungen darüber, ob bestimmte psychische Störungen durch
berufliche Bedingungen verursacht, ausgelöst oder verschlimmert werden,
sind von bedeutendem sozialpolitischem Streitwert, hängen doch daran
enorme Folgekosten für die Arbeitgeberseite. Diese Kosten werden z. Z.
von der Krankenversicherung getragen; eine Kostenübernahme durch die von
den Unternehmern allein finanzierte Berufsgenossenschaft setzt nur bei
Vorliegen eines Arbeitsunfalles oder einer der durch Verordnung
listenmäßig katalogisierten Berufskrankheiten ein. Eine Krankheit wird
in diese Liste jedoch nur aufgenommen, wenn
„1. ein schädigendes Ereignis (durch die Beschäftigung im Betrieb) vorlag,
2. ein Körperschaden auftrat,
3. ein ursächlicher Zusammenhang zwischen
a) der Beschäftigung im Betrieb und dem schädigenden Ereignis und
b) zwischen diesem Ereignis und der Schädigung (Erkrankung) selbst bestand.“
(Borneff, 12, S. 4 und 5)
Die wirklich entscheidende Schwierigkeit liegt nun darin, daß die
meisten psychischen Störungen multifaktoriell bedingt sind und der
Anteil der betrieblichen Faktoren im Einzelfall nicht exakt oder gar
nicht abgegrenzt werden kann. Dies sei durch eine Äußerung Valentins
(77, S. 10) über die Verursachung des Myokardinfarkts durch schwere
körperliche Überlastungen oder extremen psychischen Streß im
Erwerbsleben belegt: „Kausal besteht für den Gutachter die schwierige
Aufgabe, im Einzelfall abzuwägen, ob das angeschuldigte Berufsereignis
so gravierend war, daß die Merkmale einer wesentlichen Ursache vorlagen,
oder ob nicht doch nur ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen
gegeben war. Zur Anerkennung als wesentliche Ursache ist es notwendig,
daß schwere körperliche Überlastungen oder extreme psychische
Überforderungen im täglichen Berufsleben vorgelegen haben.“ (77, S. 10)
Eine Anpassung dieses besonderen „Kausalitätsbedürfnisses“ der
herrschenden Lehre an die Natur der Sache (der Sozialpsychiatrie der
Arbeit) – die eben kaum monokausale Zusammenhänge kennt und voller
Interdependenzen und Komplementärbeziehungen steckt – erscheint dringend
geboten.
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